Weniger Zuwanderung : Das Ende der Personenfreizügigkeit
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Ist für viele Deutsche und Italiener kein Sehnsuchtsziel mehr: Straßenszene in Zürich Bild: Reuters
Obwohl es immer weniger Ausländer in die Schweiz zieht, will die nationalkonservative SVP das Ende der Personenfreizügigkeit. Damit stellt die Partei das Verhältnis zu Europa in Frage.
An diesem Dienstag drückt die Schweizerische Volkspartei (SVP) auf den Startknopf. Die nationalkonservative Partei, mit einem Wähleranteil von gut 29 Prozent stärkste Kraft im Parlament in Bern, lanciert ihre von langer Hand geplante Volksinitiative zur Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der Europäischen Union. Der SVP-Chefstratege Christoph Blocher zündet also die nächste Stufe im Kampf gegen die Zuwanderung von Ausländern in die Schweiz. Ausschlaggebend hierfür ist die aus seiner Sicht nicht erfolgte Umsetzung der SVP-Initiative „gegen Masseneinwanderung“.
Diese hatten die Stimmbürger Anfang 2014 mit knapper Mehrheit angenommen. Um die bestehenden bilateralen Verträge mit der EU nicht zu gefährden, die der Schweiz als Nicht-EU-Mitglied den wichtigen Zugang zum europäischen Binnenmarkt sichern, hatte das Parlament diese Initiative vor Jahresfrist äußerst sanft in ein Gesetz gegossen: Arbeitslose inländische Arbeitnehmer bekommen in Branchen mit überdurchschnittlich hoher Arbeitslosigkeit fortan einen Vorsprung bei der Stellenvermittlung.
Fallen bald Verträge weg?
Das geht der SVP nicht weit genug. Ihre sogenannte „Begrenzungsinitiative“ sieht vor, dass die Schweiz die Zuwanderung eigenständig regelt. Nach den Vorstellungen der Partei soll die Schweizer Regierung innerhalb eines Jahres nach Annahme dieser Initiative mit Brüssel eine einvernehmliche Aufhebung des Freizügigkeitsabkommens vereinbaren. Falls dies erfolglos bleibt, was sehr wahrscheinlich ist, soll die Schweiz dieses Abkommen binnen eines Monats kündigen. Neue völkerrechtliche Verträge, die Ausländern Personenfreizügigkeit gewähren, dürfen laut dem Initiativtext nicht mehr abgeschlossen werden. Es wird vermutlich drei bis vier Jahre dauern, bis es zur Abstimmung über diese Initiative kommt. In einem ersten Schritt muss die SVP 100.000 Unterschriften sammeln.
Wegen der sogenannten Guillotine-Klausel träte ein Teil der bilateralen Verträge automatisch außer Kraft, wenn die Schweiz den Vertrag zur Personenfreizügigkeit einseitig kündigte. Deshalb wehren sich die Wirtschaftsverbände sowie alle anderen Schweizer Parteien gegen das Ansinnen der SVP. Eine Kündigung der bilateralen Verträge wäre Selbstmord für eine kleines Land wie die Schweiz, in dem viele Arbeitsplätze vom Export abhingen, sagte kürzlich der Präsident der Sozialdemokratischen Partei, Christian Levrat. Zugleich hieß Levrat es gut, dass nun endlich mit aller Klarheit über die Zukunft des bilateralen Weges diskutiert werde.
Weniger Deutsche zieht es in die Schweiz
Umfragen zufolge steht die Mehrheit der Schweizer grundsätzlich hinter dem Vertragswerk mit Brüssel, dem sie einst in mehreren Voten zugestimmt hatten. Angesichts eines Ausländeranteils von gut einem Viertel der Bevölkerung gibt es freilich auch Vorbehalte gegenüber noch mehr Zuwanderung.
Allerdings kommen inzwischen immer weniger Ausländer in die Schweiz. 2013 wanderten netto (also abzüglich der Auswanderer) gut 80.000 Menschen in die Eidgenossenschaft ein. Seither ist der Saldo stetig gesunken. 2017 waren es nur noch 53.000. Davon kamen knapp 31.000 aus der EU – das ist halb so viel wie 2013 und 20 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Auch die Deutschen, die die zweitgrößte Ausländergruppe nach den Italienern stellen, machen sich zunehmend rar. Im vergangenen Jahr wanderten netto nur noch 4500 Deutsche in die Eidgenossenschaft ein – das ist ein Sechstel im Vergleich zum Jahr 2008. Dies hängt mit der brummenden Konjunktur in Deutschland und den somit stark verbesserten Arbeitschancen in der Heimat zusammen sowie mit der eingetrübten Wirtschaftslage in der Schweiz infolge der Aufwertung des Frankens. Auch die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative und die sich daran anschließenden Diskussionen über die Offenheit gegenüber Ausländern dürfte mit dazu beigetragen haben, das sich zuletzt deutlich weniger Deutsche in die Schweiz aufgemacht haben.