Europäischer Wiederaufbaufonds : In Italien bleiben EU-Milliarden ungenutzt liegen
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Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti Bild: Getty
Überforderte Behörden und die Inflation bremsen die Investitionsprojekte in Italien. Wo aber sind die überwiesenen Gelder gelandet, fragt der EU-Haushaltsausschuss.
Italien drängt auf eine Verlängerung der Fristen für die Staatsausgaben im Rahmen des Europäischen Wiederaufbaufonds. Denn die staatliche Verwaltung kann die Mittel nicht schnell genug vergeben. Italien ist der größte Empfänger der während der Pandemie beschlossenen Zuschüsse und Billigkredite aus Brüssel, die den Investitionsrückstand bei Infrastruktur für Verkehr und Telekommunikation, Digitalisierung, Ökowende, Bildung und Gesundheit aufholen sollen.
Europaweit belaufen sich die Mittel auf rund 750 Milliarden Euro, wovon Italien zwischen 2021 und 2026 191,5 Milliarden Euro bekommt. Bis 2026 muss das Geld ausgegeben werden. Der für den Plan zuständige Europaminister Italiens, Raffaele Fitto, kündigte nun aber an: „Ich fürchte, dass die Ausgaben in diesem Jahr weit von den geplanten 22 Milliarden Euro entfernt sein werden”. Und er erinnerte daran, dass die Pläne für 2022 seit Ende 2021 schon in zwei Schritten von 42 auf 22 Milliarden Euro heruntergeschraubt wurden.
Die Behörden sowie die Wirtschaft nennen mehrere Gründe, darunter zunehmend die hohe Inflation für Energie, Stahl, Zement und Straßenasphalt. „Es gibt Ausschreibungen, bei denen kein einziges Unternehmen geboten hat, weil die Kosten 30 Prozent über den Einnahmen liegen“, berichtet die Bauunternehmerin Angelica Donati vom gleichnamigen Bau- und Immobilienunternehmen mit Sitz in Rom, die auch für den Bauverband Ance spricht. Die Ausschreibungen mit neuen Preisen wieder aufzurollen, kostet Zeit. Auch daher drängt die Regierung auf eine Verlängerung der Fristen.
Kompetentes Personal fehlt
Italiens Behörden sind zudem an vielen Orten überfordert. Der öffentliche Dienst hat in den vergangenen Jahren viel Personal verloren, die Mitarbeiter sind überdurchschnittlich alt und unterdurchschnittlich kompetent. „Umweltverträglichkeitsprüfung etwa dauern sehr lang“, berichtet Donati, „60 Prozent der Realisierungszeit eines Projektes gehen nur für die Planung drauf“. In dem Regierungsbericht werden weitere Hindernisse genannt, darunter „Ereignisse geologischer Art“, „archäologischer Funde“, „fehlende Umweltverträglichkeits- oder landschaftsrechtliche Bescheide“, „Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung“, aber auch „widersprüchliche Umweltauflagen“.
Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im EU-Parlament, Monika Hohlmeier, ist kritisch: „Nicht selten werden viele Reformen und Projekte angekündigt, dann werden zunächst nur Reformen angegangen, die keine Kosten verursachen, aber dennoch werden aufgrund des Reformfortschritts bereits Geldzahlungen in Milliardenhöhe getätigt, für die man aber noch keine Investitionsgegenwerte hat“, sagte sie der F.A.Z.. Die EU-Gelder aus dem Wiederaufbaufonds flössen direkt in den Haushalt und verdrängten daher Mittel aus den EU-Kohäsionsfonds, an die schwerer ranzukommen sei. Hohlmeier sorgt sich, dass das überwiesene Geld – im Fall von Italien 66,9 Milliarden Euro seit August 2021 – anderen Zwecken zu Gute kommen könnte. „Gemäß der gesetzlichen Vorgaben dürfen keine laufenden Ausgaben des nationalen Haushalts finanziert werden.
Wer aber gibt die Garantie, dass das Geld in drei Jahren verfügbar ist, wenn die Investitionen anlaufen“, fragt Hohlmeier und fügt hinzu: „Mir fehlt der Glaube, dass die nicht ausgegebenen Milliarden zum Beispiel in Italien einfach mal so geparkt werden.“ Im Wirtschafts- und Finanzministerium in Rom betont eine Sprecherin indes, dass „nicht ausgegebene Gelder in den Missionen gebunden bleiben“.