Elektrosmog : Wie gefährlich ist Handystrahlung?
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Dauerbestrahlung durch das Handy - gesundheitsschädigend? Bild: AP Graphics
Die Wissenschaft hat eine unbefriedigende Antwort: Man weiß es nicht. In den USA klagen die ersten Krebskranken gegen die Konzerne.
Der Trend ist klar: Bald besitzt jeder Deutsche ein Handy, und die neue Mobilfunkgeneration UMTS wird mit ihren Basisstationen die landesweite Dichte von Antennen deutlich anschwellen lassen. Bleibt die Frage: Wie gefährlich ist die Funkstrahlung, sind die elektromagnetischen Wellen, denen wir zukünftig noch stärker ausgesetzt sein werden?
In den USA gibt es schon die ersten Schadenersatzklagen. Der todkranke Neurologe Chris Newman etwa verklagt den Handyhersteller Motorola und zahlreiche Netzwerkbetreiber. Er ist sicher, sein Gehirntumor wurde durch extensives Mobiltelefonieren ausgelöst. 800 Milliarden Dollar will sein Anwalt in einer Sammelklage erstreiten.
„Verschuldungsunabhängige Haftung der Hersteller“
Auch in Deutschland sind solche Klagen möglich. „Das neue Produkthaftungsgesetz schreibt eine verschuldungsunabhängige Haftung des Herstellers eines Erzeugnisses fest“, so Matthias Stecher, Experte bei der Münchner Sozietät BBLP. Das heißt konkret: Ein Handyhersteller muss Schadenersatz leisten, auch wenn er nicht wusste, wie gefährlich die Funkstrahlung ist. Allerdings: Um mit einer solchen Klage Erfolg zu haben, muss der Zusammenhang zwischen elektromagnetischer Handystrahlung und der Bildung eines Gehirntumors eindeutig festgestellt werden. Das ist jedoch derzeit unmöglich: „Wir wissen nicht, was einen Gehirntumor auslöst. Wir wissen nicht nur nicht, ob Handys Krebs auslösen, wir wissen noch nicht einmal, was ihn auslöst“, beschreibt Lawrence Pizzi, Direktor bei „The Brain Tumor Society“ das Dilemma. Zudem: Der Handyhype ist jung, und Gehirntumore wachsen langsam. Die Wissenschaft braucht Zeit.
Mobilfunkkonzerne bilden keine Rückstellungen
Solange scheinen auch die Finanzmärkte kaum beunruhigt. „Die Mobilfunkgesellschaften haben keine Rückstellungen für etwaige Schadensersatzzahlungen gebildet“, so Joeri Sels, Analyst beim Bankhaus Julius Bär. Auch bei Standard&Poor's glaubt man nicht an eine drohende Klagewelle. „Doch wenn es passiert, dann sind nicht nur die Handyhersteller, sondern auch Netzwerkbauer, Mobilfunkbetreiber und die lizenzgebenden Regierungen als Beklagte im Spiel“, so Analyst Subhajit Gupta.
Warnungen in Frankreich und Großbritannien
Und trotzdem spürt man in der Branche leicht wachsende Unruhe. In Großbritannien mahnt der Gesundheitsminister nun auch auf Handy-Kartons an - vor allem die Fürsorgepflicht der Eltern. „Wenn Gefahr durch Handystrahlung droht, dann sind Kinder besonders betroffen. Ihr Kopf ist kleiner, die Schädeldecke dünner“, so Colin Blakemore, Professor an der Universität Oxford. Und in Frankreich weisen die Mobilfunkbetreiber wie Bouygues Telecom und Cegetel schon selbst auf mögliche Gefahren hin.
Elektrosmog - eine lange Geschichte
Das ist eine neue Tendenz in der langen Geschichte des so genannten Elektrosmogs. Elektromagnetische Strahlung von Stromleitungen, Umspannungsanlagen, GSM-Telefonen, Fernmeldetürmen - schon lange gibt es Einzelfälle, in denen Menschen sichtbar unter elektromagnetischer Strahlung leiden. Bislang wurde das medizinisch mit Hypersensibilität erklärt, wenn nicht gar als psychosomatisch bedingt. Mittlerweile sind Industrie und Politik vorsichtiger geworden. Gesundheitspolitiker von SPD und FDP wollen sich nun dafür einsetzen, die rechtliche Grundlage für mehr Verbraucherinformation in Sachen Handystrahlung zu schaffen.
Warnendes Beispiel BSE
Die Verwirrungen im Fall BSE zeigten, wie schnell sich Vorzeichen ändern können. Von einem Tag auf den anderen war der Verzehr von deutschem Rindfleisch gefährlich. Und all das, obwohl es bestimmt 1.000 Mal wahrscheinlicher ist, von einem Auto angefahren zu werden, als an Kreutzfeld-Jacob zu erkranken. Ähnliche Panikreaktionen der Verbraucher im Bereich Mobilfunk würde die Konzerne an den Rand des Ruins bringen.
Handystrahlung: Kein Forscher weiß Sicheres
Der Mensch bleibt in Sachen Handystrahlung weiter ein Hamster im Versuchslabor. Um das damit einhergehende potenzielle Risiko möglichst gering zu halten, sollte der Rat des Krebsforschers John E. Moulder vom Medical College of Wisconsin beherzigt werden: „Will man beweisen, dass etwas ungefährlich ist, muss man alles daran setzen, um das Gegenteil zu zeigen - und an dieser Aufgabe scheitern!“ Bislang konzentrierte man sich hauptsächlich darauf, deutlich zu machen, dass die von Handys ausgesandten Strahlen zwar zu einer Erwärmung des Gehirns führen können - was jedoch ungefährlich sei. Sicher wissen die Wissenschaftler bislang nur eines: Man hat weder Indizien für eine Gesundheitsschädlichkeit finden können, noch dafür, dass die Strahlen ungefährlich sind.