Ankündigung von Joe Biden : Wie die USA ohne Öl aus Russland zurechtkommen wollen
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US-Präsident Biden besteigt die Air Force One. Bild: AFP
Joe Biden wagt den Balanceakt. Amerikas Präsident stoppt Öllieferungen aus Russland – und versucht die Benzinpreise niedrig zu halten.
In den Vereinigten Staaten droht die Volksseele zu kochen, wenn der Liter Benzin umgerechnet einen Euro kostet. Das passiert gerade. Benzin hat sich im Landesschnitt knapp oberhalb von vier Dollar je Gallone (3,78 Liter) eingependelt. Präsident Joe Bidens Entscheidung, nun Ölimporte aus Russland zu stoppen, dürfte die Preise weiter nach oben treiben. Die Entwicklung werden die politischen Gegner nutzen, um Biden zu den in diesem Jahr anstehenden Zwischenwahlen für den Kongress als Präsidenten der Inflation zu zeichnen. Dieses Szenario hatte einige Berater Bidens bewogen, ihn vor einem solchen Schritt zu warnen.
Oberflächlich betrachtet ist der Importbann für die amerikanische Wirtschaft keine große Sache. Russland lieferte bisher Rohöl und Produkte, die aus der Weiterverarbeitung in Raffinerien entstanden sind. Die Lieferungen deckten 2021 gerade einmal 3,7 Prozent des Bedarfs. Besonders abhängig von Rohöllieferungen aus Russland schien der Bundesstaat Hawaii mit einem Anteil von 10 bis 25 Prozent an den Importen. Hawaii erzeugt damit vor allem Strom. Vor wenigen Tagen allerdings stoppte der Bundesstaat die Einfuhren aus Russland, andere Raffinerien auf dem Festland entschieden genauso.
Es gibt einen Hoffnungsträger
Das bedeutet aber, dass die Raffinerien sich die Rohstoffe von anderen Anbietern besorgen müssen mit entsprechend preistreibenden Konsequenzen. Die Vereinigten Staaten selbst sind inzwischen der größte Ölförderer der Welt. Die Energy Information Administration EIA erwartet, dass die Konzerne die Förderung dieses Jahr auf zwölf Millionen Barrel am Tag hochfahren und im kommenden Jahr sogar die Rekordtagesproduktion von 12,3 Millionen Barrel übertroffen wird. Doch in diesem Jahr werden sie noch auf tägliche Rohölimporte von 3,5 bis 4 Millionen Barrel am Tag angewiesen sein, wie die EIA vorrechnet. Weil andere Länder wie Kanada ebenfalls Importverbote verhängt haben oder kurz davor stehen, kämpft die globale Nachfrage um ein schrumpfendes Angebot.
Die Biden-Regierung reagiert mit mehreren Initiativen auf die drohende Knappheit. Es gab erste Gespräche mit Venezuela, einem Land mit gewaltigen Ölreserven, über eine etwaige Lockerung von Sanktionen. Das von einer sozialistischen Diktatur heruntergewirtschaftete Land signalisierte Bereitschaft, es bestehen aber Zweifel an der technischen Kapazität des Landes, die Förderung nach oben zu fahren.
Der zweite Hoffnungsträger der Amerikaner ist Saudi-Arabien. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern waren spätestens nach dem Mord an dem in Washington lebenden Journalisten Jamal Kashoggi erkaltet, der nach Erkenntnissen der amerikanischen Geheimdienste von saudi-arabischen Regierungsstellen in Auftrag gegeben worden war. Offenbar prüft Biden nun, ob er noch im März das Land persönlich besuchen soll, um die Beziehung zu kitten und einem Kernanliegen Nachdruck zu verleihen: Saudi-Arabien gehört zusammen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zu den wenigen Ländern, die über nennenswerte Reservekapazität verfügen, um mit einer Steigerung der Förderung den Ölmarkt zu entlasten. Ein Besuch könnte allerdings innenpolitisch heikel sein. Schon die Spekulation darüber hat heftige Kritik provoziert angesichts von Saudi-Arabiens Rolle im Krieg im Jemen.
Eine Rolle könnten auch die aktuellen Verhandlungen mit Iran über die Erneuerung des Nuklearabkommens spielen. Eine neue Vereinbarung würde es Iran erlauben, Öl auf internationalen Märkten zu verkaufen. Amerika würde zwar an seinem Embargo festhalten, aber sogenannte Sekundärsanktionen aufheben, lautet eine Spekulation. Dann könnten andere Länder ohne Angst vor Bestrafung durch die USA Öl kaufen.
An der Heimatfront sucht Biden unterdessen nach Möglichkeiten, die Preissprünge klein zu halten und sozial abzufedern. Die Freigabe von Rohöl aus der nationalen Reserve ist Teil des Plans. Dazu erwägt er offenbar, die Benzinsteuer auszusetzen. Der Präsident muss nicht nur höhere Preise fürchten, sondern auch den politischen Gegner. Die Republikaner zeichnen die Demokraten als Partei, die der Energieautarkie des Landes im Wege steht, weil sie neue Förderungen deutlich erschwert hat und zudem Projekte wie die Keystone-Pipeline verhindert. Das Weiße Haus argumentiert, dass diese Vorschriften Amerikas Öl- und Gasförderer, die immerhin auf 9000 ungenutzten Schürfrechten säßen, nicht einschränkten. Zudem sei gerade der Ausbau erneuerbarer Energie ein wichtiger Beitrag im Versuch Amerikas, von Energielieferungen unabhängig zu werden.