Bundeskanzler Olaf Scholz vergangene Woche im Foyer des Bundeskanzleramts. Bild: dpa
Die Bundesregierung hat eine Zeitenwende angekündigt. Sie muss sie aber auch bewältigen – ohne sich hinter der Bevölkerung zu verstecken. Mit großen Worten ist es nicht getan.
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Deutschland hat seine Sicherheit in die Vereinigten Staaten, seinen Energiebedarf nach Russland und sein vom Export getragenes Wirtschaftswachstum nach China ausgelagert“, sagte die deutsche Politikwissenschaftlerin Constanze Stelzenmüller kürzlich dem „Economist“. Pointiert mag dieser Satz sein, falsch ist er sicherlich nicht. Putins brutaler Krieg gegen die Ukraine hat die erheblichen Defizite Deutschlands an den Tag gelegt, in strategischen Kategorien zu denken.
Stattdessen erörterte der deutsche Michel lieber den Beitrag von Lastenfahrrädern für die Rettung des Weltklimas oder die Wirksamkeit von Homöopathie zur Abwehr einer Pandemie. In der immerhin viertgrößten Volkswirtschaft der Welt fanden Provinzialismus und ein in Moralismus getauchter erhobener Zeigefinger zusammen. Um unangenehme Dinge musste man sich nicht kümmern; denn die hielt die Krisenkanzlerin Angela Merkel ja vom Michel fern. Gesinnungsethik triumphierte über Verantwortungsethik; das Verdrängen unliebsamer Wahrheiten wurde als Realpolitik gepriesen. Putins Krieg, den trotz eines Monate währenden Truppenaufmarschs in der politischen Elite und im Dampfgeplauder so mancher Talkshow fast niemand kommen sah, hat Deutschland nun unbarmherzig mit der Kälte der real existierenden Welt konfrontiert.
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