Neue Leitungen braucht das Land. Bild: ZB
Die Regierung gibt mehr Geld aus denn je. Doch sie versäumt, mit einfachen Mitteln Bürokratie einzusparen, sagen Kritiker. Und die Planungsbeschleunigung? Verzögert sich.
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Wenn es um das Ankurbeln der Wirtschaft in der Corona-Krise geht, ist der Bundesregierung derzeit kaum ein Geldbetrag zu hoch. Das Konjunkturprogramm, das die Koalition in der vergangenen Woche durch den Bundestag gebracht hat, kostet mehr als 130 Milliarden Euro. Die Neuverschuldung im Bundeshaushalt übertrifft mit 218 Milliarden Euro den bisherigen Höchstwert aus dem Jahr 2010 um mehr als das Vierfache. Umso kritischer fallen vor diesem Hintergrund die Anmerkungen des Normenkontrollrats zu diesem Konjunkturprogramm aus: Dass sich wirtschaftliche Dynamik auch durch Bürokratieabbau und Rechtsvereinfachung fördern ließe, blendet die Regierung nach dem Urteil ihrer eigenen Bürokratiewächter bisher regelrecht aus.
Tatsächlich hatte der beim Bundeskanzleramt angesiedelte Rat schon Ende Mai ein „Zehn-Punkte-Konjunkturprogramm zum Nulltarif“ vorgelegt – ein Paket mit konkreten Vorschlägen für den Koalitionsausschuss von Union und SPD, der damals die Eckpunkte des Konjunkturpakets aushandelte. Nun stellt der Vorsitzende des Normenkontrollrats (NKR), der frühere Bahnchef und Wirtschaftsstaatssekretär Johannes Ludewig, über diese Vorschlägen ernüchtert fest: „Kein einziger wurde von der Bundesregierung umgesetzt. Es bleibt ein Geheimnis der Bundesregierung, warum gerade diejenigen Konjunkturfördermaßnahmen, die nichts oder sehr wenig kosten, ungenutzt bleiben.“ Das Urteil ist Teil der Stellungnahme zur jährlichen Bürokratieabbau-Bilanz des Normenkontrollrats, die das Bundeskabinett in seiner Sitzung am Mittwoch förmlich zur Kenntnis genommen hat.
Verfahren zu umständlich
Das Zehn-Punkte-Programm der Bürokratiewächter reichte von der Vereinfachung verschiedener kleinteiliger Steuer- und Dokumentationsvorschriften über eine Digitalisierung von Behördenabläufen bis hin zu einer Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Investitionen in die Infrastruktur. Letztere gewinnt besondere Bedeutung, weil gerade öffentliche Investitionen ein wichtiger Baustein jeder Konjunkturpolitik sind. Das Bereitstellen zusätzlicher Haushaltsmittel bleibt aber wirkungslos, wenn das Geld wegen umständlicher Verfahren gar nicht zügig verbaut werden kann.
Im Steuerrecht hat die Koalition zwar Entlastungen beschlossen – von erleichterten Verlustverrechnungen für Unternehmen bis hin zur vorübergehenden Senkung der Mehrwertsteuer, die zu Ausfällen von rund 20 Milliarden Euro führen dürfte. Das Programm des Normenkontrollrats, das sich auf kleinere Lockerungen mit oft großer Wirkung für die Begünstigten konzentriert, wurde dabei aber nicht berücksichtigt. So empfahl er eine Anhebung etlicher gesetzlicher Umsatzschwellenwerte für kleine und mittlere Betriebe, oberhalb derer verschärfte Buchführungspflichten und anspruchsvollere steuerrechtliche Anforderungen greifen.
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JETZT F+ LESENDazu gehört die Empfehlung höherer Grenzwerte, oberhalb derer Betriebe und Gewerbetreibende dem Finanzamt Umsatzsteuervoranmeldungen liefern müssen. Ebenso rät er, die Schwellen für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter anzuheben. Hinzu kommt der Vorschlag, die Aufbewahrungsfristen für handels- und steuerrechtlich relevante Dokumente schrittweise von zehn auf fünf Jahre zu verkürzen. „Dies schafft für die Unternehmen neben mehr Platz im Büro auch längerfristig zusätzlichen finanziellen Spielraum von über 3 Milliarden Euro“, rechnete der Rat vor. Zudem regte er an, die Pflicht zur Anschaffung teurer digitaler Ladenkassen (die mit der neuen Bonpflicht für Bäckereien und Kioske kam) bis Ende 2021 auszusetzen.