Fehlender Hinweisgeberschutz : Deutschland muss 61.600 Euro am Tag als Strafe an Brüssel zahlen
- -Aktualisiert am
Die Ampel-Koalition nimmt einen neuen Anlauf, um die von der EU-Kommission angemahnten Verbesserungen beim Schutz von Hinweisgebern in Deutschland gesetzlich zu verankern. Bild: dpa
Deutschland hat das Gesetz zum Schutz von Whistleblowern nicht rechtzeitig verabschiedet und muss mit Strafzahlungen an die EU-Kommission rechnen. Das zeigt ein Brief aus dem Justizministerium.
Die Versäumnisse beim Schutz von sogenannten Whistleblowern dürften Deutschland teuer zu stehen kommen. Es muss mit Strafzahlungen an die EU in zweistelliger Millionenhöhe rechnen. Der Betrag wächst stetig: In der vor einigen Wochen vor dem Europäischen Gerichtshof eingereichten Klage verlangt Brüssel für jeden Tag seit Ablauf der in der EU-Whistleblower-Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist bis zum Tag der Behebung des Verstoßes 61.600 Euro, „mindestens jedoch 17.248.000 Euro“.
Das geht aus einem Antwortschreiben des Bundesjustizministeriums an den CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Plum hervor, der in der Fraktion der zuständige Berichterstatter ist. Der vom Parlamentarischen Staatssekretär Benjamin Strasser (FDP) unterzeichnete Brief liegt der F.A.Z. exklusiv vor.
„Das langwierige und verfassungsrechtlich zweifelhafte Taktieren der Ampel beim Hinweisgeberschutz kostet die Steuerzahler schon jetzt über 30 Millionen Euro, und es werden jeden Tag mehr“, betont Plum. Denn wie Strasser weiter schreibt, würde eine rasche Lösung Deutschland wohl nicht vor der Strafzahlung schützen.
Sollte die Bundesrepublik den Verstoß während der Dauer des Gerichtsverfahrens abstellen, sei nicht davon auszugehen, dass die Kommission die Klage zurücknimmt. Vielmehr werde sie den Antrag auf Verhängung eines Pauschalbetrags wohl aufrechterhalten, heißt es aus dem Ministerium. Dieser würde die Dauer des Verstoßes bis zum Zeitpunkt abdecken, zu dem dieser abgestellt wurde.
Kommt Deutschland der Verpflichtung bis zum Ende des EuGH-Verfahrens nicht nach, hat Brüssel vorsorglich die Verhängung eines Zwangsgeldes beantragt: Das beträgt „240.240 Euro pro Tag ab dem Tag der Verkündung.“ Eine Antwort auf Plums Frage, wer die Strafzahlungen im Verhältnis von Bund und Länder zu tragen habe, bleibt das Justizministerium schuldig.
Brüssel bestätigt den Brief
In Brüssel wurde der Inhalt des Briefs informell bestätigt. Das letzte Wort zu den Strafzahlungen hat indes der EuGH in Luxemburg. Er orientiert sich in seinem Urteil zwar in der Regel am Antrag der Kommission, ist aber nicht daran gebunden. Er kann die Höhe der Zahlungen stark reduzieren.
Die Whistleblower-Richtlinie sieht vor, dass Hinweisgebern in Behörden und der Privatwirtschaft geeignete Kanäle zur Verfügung gestellt werden, über die sie Verstöße vertraulich melden können. Bis zum 17. Dezember 2021 hätte der Gesetzgeber die Richtlinie zum Hinweisgeberschutz in ein nationales Gesetz umsetzen müssen. Im Februar verwehrten die von der Union geführten Bundesländer einem geplanten Hinweisgeberschutzgesetz aber die erforderliche Zustimmung im Bundesrat.
Ein neues, darauf in einen zustimmungsfreien und einen zustimmungspflichtigen Teil aufgespaltenes Gesetz hatte in der öffentlichen Anhörung im März verfassungsrechtliche Bedenken hervorgerufen. Die CDU pochte auf den Vermittlungsausschuss, der sich im Mai mit dem zweiten Versuch eines Hinweisgeberschutzgesetzes beschäftigen muss.
Plum kritisiert die Ampelkoalition: „Hätte sie frühzeitig den Vermittlungsausschuss angerufen, wäre diese neue Belastung dem Bundeshaushalt erspart geblieben. Anstatt ihr Fehlverhalten endlich einzuräumen, suggeriert die Ampel lieber eine Verantwortlichkeit der Länder.“
Nach F.A.Z.-Informationen soll sich schon an diesem Donnerstag in Berlin eine Arbeitsgruppe treffen, die den Vermittlungsausschuss vorbereiten soll. Justizminister Marco Buschmann (FDP) steht dem Gremium vor, für die Länder hat der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU) die Ko-Leitung übernommen.