Wettbewerbspolitik (3) : Grundlage einer "freien Bürgergesellschaft"
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Für Monti ist eine strenge Wettbewerbspolitik die beste Garantie für eine "freie Wirtschaft". Deswegen bilden die EU-Wettbewerbsregeln ein Pendant zu den Grundfreiheiten des Binnenmarkts.
Was haben die EU-Bürger von der europäischen Wettbewerbspolitik? Wenn Mario Monti das erklären muß, klingt er hölzern. "Die Senkung der Gebühren für Telefongespräche, der Zugang der meisten Bürger zum Flugverkehr oder die Möglichkeit, ein Automobil in der Gemeinschaft dort zu kaufen, wo die günstigsten Preise geboten werden", schreibt der EU-Wettbewerbskommissar in einer erklärenden Broschüre.

Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.
Bevor der Leser aber darüber nachdenkt, wie oft er bisher sein Auto im europäischen Ausland gekauft hat, kommt Monti doch zu grundsätzlicheren Argumenten: Eine strenge Wettbewerbspolitik sei die beste Garantie für eine "freie Wirtschaft". Und diese wiederum sei "im Rahmen der notwendigen Regeln" die Voraussetzung für eine "freie Bürgergesellschaft".
Positive Diskriminierung verboten
Solche abstrakten Vorzüge einer auf Wettbewerb beruhenden Gesellschaft sind nicht immer einfach zu vermitteln. Wenn etwa die Kommission wettbewerbsschädliche nationale Beihilfen zugunsten einzelner Branchen oder Unternehmen ins Visier nimmt, bekommt sie rasch den Schwarzen Peter. Da gefährdet die ferne Brüsseler Bürokratie Arbeitsplätze, wo doch die nationale Regierung viel besser weiß, was ihrer Wirtschaft guttut. Daß das "System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt" - so die Formulierung des EG-Vertrags (EGV) - neben den Grundfreiheiten zu den wichtigsten Erfolgsgaranten der europäischen Integration zählt, gerät da schnell in Vergessenheit.
Das besondere an den Wettbewerbsregeln ist, daß sie sich an Unternehmen und an die Mitgliedstaaten gleichermaßen richten. Was die Mitgliedstaaten betrifft, so ergänzt das europäische Wettbewerbsrecht die Grundfreiheiten: Während jene die negative Diskriminierung von Ausländern durch eine inländische Regierung verhindern sollen, verbietet das Wettbewerbsrecht - vor allem das Beihilfenverbot - eine positive Diskriminierung von Inländern in Form von diskriminierender Förderung. Soweit es sich an Unternehmen richtet, soll es verhindern, daß die durch die Grundfreiheiten geöffneten Märkte durch private Wettbewerbsbeschränkungen wieder geschlossen werden.
Prinzipielles Kartellverbot
Mit einer Ausnahme - der Fusionskontrolle, die 1989 durch eine Verordnung offiziell eingeführt wurde - haben sich die Pfeiler des europäischen Wettbewerbsrechts seit ihrer Einführung durch den EWG-Vertrag 1958 wenig verändert. Auch die neue "Verfassung für Europa" läßt sie im wesentlichen unberührt. Allerdings dürften neue, in diesem Jahr in Kraft getretene Verordnungen die Anwendungspraxis teilweise deutlich verändern.
Die wichtigste an die Unternehmen gerichtete Regelung ist das prinzipielle Kartellverbot aus Artikel 81 Absatz 1 EGV. Danach sind alle Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen verboten, die "den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs (. . .) bezwecken oder bewirken".
Prüfung erst im nachhinein
Dazu zählen horizontale Vereinbarungen (also klassische Kartelle potentieller Wettbewerber, die sich auf derselben Stufe der Produktionskette befinden) ebenso wie vertikale Vereinbarungen zwischen Unternehmen verschiedener Produktionsstufen. Bestimmte Arten von Vereinbarungen sind vom Kartellverbot gemäß Artikel 81 Absatz 3 freigestellt. In Anwendung dieser Regelung hat die Kommission sogenannte Gruppenfreistellungsverordnungen für einige Kategorien vertikaler Vereinbarungen erlassen, für die das Kartellverbot nicht gilt. Ausnahmen von diesem Verbot existieren aber auch jenseits der Gruppenfreistellungen.