Weniger Treibhausgas : Indien will Wasserstoffgroßmacht werden
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Indien benötigt viel Energie: Ölraffinerie in Golaghat Bild: Bloomberg
Die Fabrik der Welt verbrennt viel zu viel Treibhausgas. Asien muss seine Fertigung umstellen. Nun kommt Bewegung in den Markt für Wasserstoff.
Die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens will grüner und unabhängiger von Energieimporten werden. Zugleich will Indien die Welt mit grünem Wasserstoff versorgen. Schon 2030 wolle Indien „mindestens ein Zehntel des weltweiten Bedarfs an grünen Wasserstoff decken“, sagte ein Regierungssprecher. Das indische Kabinett hat für Wasserstoffprojekte nun 2,25 Milliarden Euro freigegeben.
Die Industrie werde rund 100 Milliarden Euro in den Sektor pumpen, erwartet die Regierung. Bis zum Jahr 2030 will Indien damit eine Kapazität von 500 Gigawatt für nicht fossile Energie geschaffen haben – allen voran getrieben von Sonne und Wasserkraft. Auf dem Weltwirtschaftsforum im vergangenen Jahr hatte Indiens Ölminister Hardeep Singh Puri angekündigt, der Subkontinent werde sich zum Weltmarktführer für grünen Wasserstoff entwickeln.
Nach Schätzungen des Hydrogen Councils, dem 150 Unternehmen des Energie- und Rohstoffsektors und die Berater von McKinsey angehören, wird die Nachfrage nach grünem Wasserstoff in den vier großen asiatischen Ländern China, Japan, Indien und Südkorea bis zum Jahr 2050 auf rund 285 Millionen Tonnen ansteigen, rund 43 Prozent der Weltnachfrage. Mehr als 300 Milliarden Dollar würden bis 2030 in neue Projekte fließen.
600.000 neue Stellen
Zunächst will Indien bis 2030 rund 5 Millionen Tonnen Wasserstoff aus nicht fossiler Energie herstellen. Bis dahin sollen 50 Millionen Tonnen Treibhausgas ersetzt werden. Zugleich plant das Kabinett unter Ministerpräsident Narendra Modi, eine Billion Rupien (11,4 Milliarden Euro) an Energieeinfuhren zu sparen. „Der Plan zielt darauf ab, Indien zu einem globalen Zentrum für die Herstellung, das Nutzen und die Ausfuhr von grünem Wasserstoff zu machen“, sagte der Sprecher von Modis Regierungspartei, Satyendra Prakash.
600.000 neue Stellen sollen in dem Sektor entstehen. Wasserstoff kann mit elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen, wie zum Beispiel aus Sonnen- oder Windkraft, klimaneutral hergestellt werden. Für die dafür notwendigen Elektrolyseure werde Indien eine Herstellungskapazität im Volumen von 60 bis 100 Gigawatt aufbauen, hieß es in der Regierung. Da die Herstellungskosten für grünen Wasserstoff derzeit bei 300 bis 400 Rupien pro Kilo lägen, sei die Anschubfinanzierung nötig, um die Marktpreise deutlich zu dämpfen. Mit Erdgas produzierter Wasserstoff koste derzeit rund 130 Rupien pro Kilogramm.
Vor einem knapp Jahr hatte Oil India die erste Produktion von grünem Wasserstoff auf dem Subkontinent in Assam aufgenommen. Auch Multimilliardär Mukesh Ambani will abermals zum Vorreiter des Trends werden: Der Vorstandsvorsitzende des Konglomerates Reliance Industries will zunächst groß in blauen Wasserstoff einsteigen, bei dem das im Herstellungsprozess entstehende Kohlendioxid unterirdisch gelagert werden soll. Insgesamt will sein Konzern in den nächsten 15 Jahren 75 Milliarden Dollar für klimafreundliche Projekte ausgeben.
Viele Wettbewerber
Sein Konkurrent Gautam Adani, der Drittreichste der Welt, hat seinerseits angekündigt, 70 Milliarden Dollar in „grüne Energie“ stecken zu wollen. Ambani, derzeit nach Adani der zweitreichste Asiat, will dabei einem bewährten Muster folgen: Er plant, den Sektor mit vielen Milliarden Dollar aufzurollen, wie es ihm schon im Mobilfunkgeschäft und im Internet dank seines weltumspannenden Netzwerkes gelang. Bis 2035, damit 35 Jahre vor dem gesamten Land, will der führende Mischkonzern mit einem Marktwert von gut 200 Milliarden Dollar klimaneutral arbeiten.
Chinas Ölkonzern und BASF-Partner Sinopec arbeitet unterdessen am Bau einer Anlage für grünen Wasserstoff im Volumen von 20.000 Tonnen jährlich. Auch die Ölriesen des Westens strömen in die Wachstumsregion, um sich im Wasserstoff zu engagieren: BP ist inzwischen der Ankeraktionär beim Asia Renewable Energy Hub in Australien. Dort sollen jährlich rund 1,6 Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs produziert werden. Allein der Konzern BP will – wie auch Indien – rund 10 Prozent des Weltmarkts abdecken.
Konkurrent Chevron arbeitet mit der indonesischen Ölgesellschaft Pertamina und dem Singapurer Anlagenbauer Keppel an einer Anlage, die Erdwärme für die Herstellung grünen Wasserstoffs nutzen soll. So sollen bis zu 160.000 Tonnen jährlich entstehen. Auch die japanische Mitsubishi Corp. hat die staatliche indonesische Ölgesellschaft zum Partner gewählt. Mitsubishis Wettbewerber Mitsui & Co hingegen engagiert sich mit einem Anteil von 28 Prozent in einem Projekt der französischen Engie in Australien, um dort grünen Wasserstoff mit Sonnenkraft herzustellen.
In Asien steigen derzeit die Erwartungen, da hier vor allem die Stahl- und die Automobilfertigung auf die neue Energieform warten, um ihre teils verheerenden Klimabilanzen verbessern zu können.