Wohlstandsverteilung : 62 Personen besitzen so viel wie die Hälfte aller Menschen
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Luxusyachten der Superreichen im Hafen der chinesischen Stadt Sanya. Die Wohlstandverteilung nimmt laut Oxfam immer extreme Formen an. Bild: dpa
Kurz vor dem Wirtschaftsforum in Davos legt die Entwicklungsorganisation Oxfam einen Aufsehen erregenden Bericht vor: Die Wohlstandverteilung nehme extreme Formen an - auch, weil die Superreichen an der Steuer vorbeileben.
In den Augen der Nichtregierungsorganisation Oxfam verschärfen vor allem Steueroasen die soziale Ungerechtigkeit. Steueroasen sind Staaten oder Gebiete, die keine oder besonders niedrige Steuern auf Einkommen, Gewinne oder Vermögen erheben und dadurch als Wohnsitz für Personen oder auch als Standort für Unternehmen steuerlich attraktiv sind.
Nach einer Oxfam-Schätzung haben neun von zehn großen Unternehmen mindestens eine Niederlassung in einer Steueroase. Entwicklungsländer verlören durch die Steuervermeidung von multinationalen Konzernen jährlich mindestens 100 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen. Und 2014 seien die Investitionen von Unternehmen in Steueroasen fast viermal so hoch wie im Jahr 2001 gewesen.
190 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen
Die Angaben finden sich im neuen Oxfam-Bericht „An Economy for the 1 Percent“, den die internationale Entwicklungsorganisation am Montag veröffentlichen wird, dem Tag vor der Eröffnung des Weltwirtschaftsforums in Davos. Demnach ist die Einkommens- und Vermögensungleichheit groß: Das oberste Prozent der Weltbevölkerung verfüge über mehr Vermögen als der Rest der Welt zusammen – dies zeige eine Analyse der Zahlen des Credit Suisse Wealth Report 2015.
Im vergangenen Jahr hätten 62 Einzelpersonen (davon 53 Männer) genauso viel besessen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, das heißt rund 3,5 Milliarden Menschen. Im Jahr 2010 besaßen noch 388 Individuen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammengenommen, 2014 waren es 80 Personen.
Reiche Einzelpersonen haben laut einer von Oxfam zitierten Schätzung des französischen Wirtschaftswissenschaftlers Gabriel Zucman derzeit Vermögen in Höhe von rund 7,6 Billionen Dollar in Steueroasen angelegt. Das sei mehr als das Bruttosozialprodukt Deutschlands und Großbritanniens zusammen. Den Heimatländern dieser Personen entgingen dadurch rund 190 Milliarden Dollar an Steuereinnahmen. Allerdings weisen Ungleichheitsforscher auch darauf hin, dass vor allem durch den Aufstieg Chinas im zurückliegenden viele Millionen Menschen aus der Armut befreit wurden und der wirtschaftliche Abstand asiatischer Länder zu den Industriestaaten geschrumpft ist.
G-20-Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewinnkürzung
Das Vermögen der reichsten 62 Personen sei in nur fünf Jahren um 44 Prozent gewachsen, berichtet Oxfam. Dies entspreche einem Anstieg um mehr als eine halbe Billion Dollar auf 1,76 Billionen Dollar im Jahr 2015. In derselben Zeitspanne sei das Vermögen der unteren Hälfte der Weltbevölkerung um rund eine Billion Dollar zurückgegangen. Dies entspreche einer Reduzierung um 41 Prozent.
Oxfam fordert deshalb ein Wirtschafts- und Finanzsystem, in dem für Steueroasen kein Platz ist. Im Rahmen der G20 und der OECD seien erste Schritte eingeleitet worden. Dazu zähle der umfassende automatische Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen Staaten und Jurisdiktionen, an dem auch Länder wie die Schweiz teilnehmen, oder der kürzlich verabschiedete G-20-Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewinnkürzung und -verlagerung von Unternehmen.
Steueroasen austrocknen
Dies zeigt in den Augen von Oxfam, dass Veränderungen möglich seien. Wesentliche Schwierigkeiten des internationalen Steuersystems seien bisher aber nicht angegangen worden. Insbesondere die Entwicklungsländer seien bei der Neugestaltung des weltumspannenden Steuerregimes bisher außen vor geblieben.
Das zu ändern sei dringend nötig, denn das derzeitige Wirtschaftssystem komme vor allem den Reichen zugute und vertiefe die Kluft zwischen Arm und Reich. Die Regierungen im Norden und Süden müssten sich daher im Rahmen eines koordinierten Ansatzes auf weitere Schritte verständigen, die allen Ländern zugutekommen, um die Steuervermeidung von Unternehmen und reichen Einzelpersonen zu unterbinden und Steueroasen auszutrocknen.
Reichste 10 Prozent besitzen 63 Prozent des Gesamtvermögens
Dies bedeute insbesondere, Unternehmen zu einer öffentlichen länderbezogenen Berichterstattung zu verpflichten, den Wettlauf um die niedrigsten Steuersätze zu beenden und Steueranreize für multinationale Unternehmen transparent zu machen.
Im Vergleich zu anderen OECD-Ländern sei in Deutschland die Ungleichheit bei Vermögen, Einkommen und Chancen besonders hoch und in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gestiegen: Die reichsten 10 Prozent der Haushalte in Deutschland besäßen mindestens 63 Prozent des Gesamtvermögens. Zumindest in den vergangenen zehn Jahren ist die Einkommensungleichheit hierzulande jedoch nicht weiter gewachsen, zeigen weitere Studien.