Amerika gegen China : „Wir reden von einem kompletten kalten Krieg“
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F.A.Z.-Digitalchef Carsten Knop im Gespräch auf dem WEF. Bild: Sven Astheimer
Der Wettstreit um die Vorherrschaft im Internet tobt. Und birgt Gefahren.
Amerikaner und Chinesen kämpfen um die Vorherrschaft im Internet – die globalen Folgen dieses kalten technologischen Krieges ist die Zersplitterung des Internets in verschiedene Systeme. Das Schlagwort heißt „Splinternet“. Davor warnten die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion während des Weltwirtschaftsforums in Davos in Zusammenarbeit mit der F.A.Z.
Diese Situation biete aber auch Chancen. „Es sollte ein drittes Modell geben“, sagte Michelle Zatlyn, Gründerin des Internetdienstleisters Cloudflare, der unter anderem Sicherheitsdienste für Unternehmensnetzwerke anbietet. Indien oder auch Europa könnten eine solche Lücke ausfüllen, sagte die Managerin.
Für Samir Saran geht der Konflikt weit über die Frage von technischen Standards hinaus: „Handel, Sicherheit, das ganze Leben ist heute Technik – deshalb reden wir hier von einem kompletten kalten Krieg zwischen mehreren Blöcken.“ Saran, der den indischen Thinktank ORF leitet, spricht von einer „Balkanisierung des Internets“.
Streit um 5G
Verschiedene Standards seien aber keine neue Entwicklung. Die Chinesen hätten schon immer das Internet auch für amerikanische Konzerne nur zu ihren jeweils gültigen Konditionen geöffnet. „Eine der wenigen Dinge, die Präsident Trump richtig gemacht hat, war, die Spielregeln für das Internet mit den Chinesen neue zu definieren.“
John Chipman, der dem britischen IISS-Forschungsinstitut vorsteht, wies auf die gestiegene Bedeutung des Internets für Regierungen hin. China habe darin die Chance erkannt, seinen Unternehmen einen enormen Wachstumsschub zu verschaffen. Andere Länder wie Iran, Russland und Korea hätten entdeckt, dass sie über das Internet ihre Feinde attackieren können.
Besonders deutlich wird der Machtkampf zwischen den Vereinigten Staaten und China beim Versuch der Amerikaner, den chinesischen Netzausrüster beim Aufbau des neuen 5G-Standards herauszuhalten. Chipman wies darauf hin, dass Washington gerade einen Konzern aus Taiwan angewiesen habe, seine Chips für ein amerikanisches Kampfflugzeug in Amerika zu produzieren.
Auf der anderen Seite gebe es aber das Bedürfnis der Unternehmen nach gemeinsamen Standards auf der Welt. Chipman wies darauf hin, dass amerikanische und chinesische Unternehmen oftmals eng verbunden seien. So arbeiteten IBM and Bank of China seit dem Jahr 2019 zusammen.
Michelle Zatlyn warnte vor den wirtschaftlichen Gefahren, die eine Zersplitterung des Internets in verschiedene Systeme mit jeweils eigenen Regeln und Standards haben könnte. „Wenn es dazu kommt, dann hilft das am meisten den großen Konzernen, weil sie die Ressourcen haben, sich auf verschiedene Systeme einzustellen.“
Schwierig werde es dagegen für kleinere Unternehmen, die das nicht könnten und deren Wachstumsperspektiven dadurch eingeschränkt würden. Auch für Gründer würde es ehrlich schwieriger werden. „Damit fördert diese Entwicklung ausgerechnet die Tech-Giganten, von deren Einfluss viele Länder eigentlich gerade wegkommen wollen“, sagte die Unternehmerin mit Blick auf die Diskussionen über eine strengere Regulierung von Facebook, Google & Co, die bis zu der Forderung nach Zerschlagungen gehen.
Warum es in der Zukunft dennoch weiterhin einen freien Datenfluss auf der Welt geben werde, wollte Moderator Carsten Knop daraufhin wissen. Nach einigen Missbrauchsfällen durch Internetkonzerne sei die Politik schließlich stärker auf den Plan getreten. „Politiker wollen wissen, wie die Technik funktioniert“, ist Zatlyns Eindruck. Für einen solchen Austausch zwischen Politikern, Managern und Technik-Profis, um gemeinsame Regeln für das Internet der Zukunft aufzustellen, sei das Weltwirtschaftsforum in Davos ein geeigneter Ort.