Weltwirtschaftsforum : Davos sucht den moralischen Kompass
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Nicht nur die neu eintreffenden Teilnehmer des Weltwirtschaftsgipfels suchen den Weg - auch das WEF selbst streitet über die künftige Marschroute Bild: AFP
Das Weltwirtschaftsforum diskutiert lebhaft über den Reformbedarf im kapitalistischen System. Aber welches System ist besser? China jedenfalls tauge als Vorbild nicht.
Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos steht der westliche Kapitalismus unter erheblicher Kritik. Klaus Schwab, der Gründer des Forums, hatte schon vor Beginn der Veranstaltung das Thema gesetzt: Das System passe in seiner heutigen Form nicht mehr in die Welt. Verstärkt wurde diese Botschaft von verschiedenen zum Forum veröffentlichten Umfrageergebnissen, die zeigen, wie sehr das Vertrauen der Menschen in Politiker, Unternehmer und vor allem Banker nachgelassen hat. Wie zum Beweis finden sich in diesem Jahr auch ein paar Aktivisten der Occupy-Bewegung ganz in der Nähe des eingeschneiten Konferenzzentrums. Sie haben dort - mehr für die Kameras als für die Teilnehmer sichtbar - ihre Iglus aufgebaut.
Das Publikum ist nicht überzeugt
Manchen der anwesenden Wirtschaftsführer hat die Wucht der Diskussion zum Auftakt des Forums gleichwohl überrascht. Sie suchen nach Worten - und vermögen das Publikum nicht zu überzeugen. Die Zyklen des Auf und Ab gehörten eben zum Kapitalismus dazu, versuchte Brian Moynihan, der Vorstandsvorsitzende der Bank of America, die Banken und das Wirtschaftssystem zu verteidigen. Die Banken hätten aus der Krise schon viel gelernt, sie seien in ihrem Handeln aber ohnehin nur das Spiegelbild der Gesellschaft. „Wir sind groß, weil unsere Kunden groß sind“, sagte Moynihan. Eine Bank mache eben die Geschäfte, die die Kunden wollten. Deshalb genössen die Banken auch keine „unfairen“ Vorteile, zum Beispiel wenn sie vom Steuerzahler allein schon wegen ihrer Größe gerettet werden müssen.
Das brachte Moynihan heftige Kritik von Sharan Burrow ein, der Chefin des Internationalen Gewerkschaftsbundes ITUC, der Moynihans Äußerungen nicht selbstkritisch genug waren: „Wir haben unseren moralischen Kompass verloren“, sagte Burrow. Wenn sich dass nicht ändere und sich die Unternehmen und die Regierungen nicht dafür einsetzten, die Arbeitnehmer vor den Auswüchsen des Kapitalismus zu schützen, werde niemand die sozialen Unruhen mögen, die daraus folgten. In dieser Hinsicht sei Deutschland mit seinen Kurzarbeiterreglungen vorbildlich. Das ganze Wirtschaftsmodell müsse neu gestaltet werden, forderte Burrow. Und auch eine Umfrage im Publikum hatte zuvor ergeben, dass die breite Mehrheit der Anwesenden den Kapitalismus in seiner heutigen Form für reformbedürftig hält.
„Wir wollen doch, dass unser Wirtschaftssystem funktioniert“
Als erster fand David Rubenstein, der Mitbegründer und Managing Director des Finanzinvestors Carlyle Group, zu seiner Fassung zurück: „Der Kapitalismus ist vielleicht das schlimmste System, mit Ausnahme aller anderen Systeme“, sagte Rubenstein. Kein anderes System habe in den vergangenen Jahrzehnten so viele Arbeitsplätze und so viel Wohlstand geschaffen wie der Kapitalismus. Das einzige große Problem sei tatsächlich, dass der Kapitalismus nicht dazu in der Lage sei, die großen Ausschläge nach oben und nach unten ausreichend abzuschwächen. Es gehe deshalb auch gar nicht darum, die Märkte stärker zur regulieren. Es müsse viel mehr gelingen, mit den Eingriffen von Regulierern schneller auf aktuelle Schwierigkeiten zu reagieren - und die Ziele klarer zu kommunizieren.