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Konjunkturaussichten : Der IWF bläst die Rezession ab

IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas Bild: Cory Hancock/IMF

Ökonomen hatten lange mit einem empfindlichen Rückgang der Wirtschaftsleistung gerechnet. Doch Deutschland dürfte glimpflich davonkommen.

          2 Min.

          Deutschland hat nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) gute Aussichten, eine Rezession zu vermeiden. Das Land sei ein Beispiel für die Widerstandskraft, mit der Länder die Energiekrise gemeistert hätten, sagte IWF-Chefökonom Pierre-Olivier Gourinchas anlässlich der Vorstellung des aktualisierten Konjunkturausblicks für die Weltwirtschaft.

          Winand von Petersdorff-Campen
          Wirtschaftskorrespondent in Washington.

          Man habe die größten Sorgen um die deutsche Industrieproduktion und die wirtschaftliche Aktivität Deutschlands gehabt, als der Stopp russischer Energielieferungen im Raum gestanden habe. Die Wirtschaft habe sich aber als überraschend robust erwiesen. Daher revidierte der IWF die Konjunkturdaten für dieses und fürs kommende Jahr leicht nach oben. Demzufolge vermeidet Deutschland eine Schrumpfung seiner Volkswirtschaft, die noch im Oktober vorhergesagt worden war, mit einem Miniwachstum von 0,1 Prozent in diesem und 1,4 Prozent im Folgejahr.

          „Wir behaupten nicht, dass das starkes Wachstum ist“, sagte der Chefökonom. Aber es sei gut möglich, dass Deutschland eine Rezession vermeide. IWF-Volkswirte führen die fiskalischen Maßnahmen der Bundesregierung als einen Grund dafür an, dass die Volkswirtschaft den Energieschock besser meistern konnte. Zudem hätten weniger energieintensive Branchen die Verluste der Sektoren mit hohem Energieverbrauch kompensiert.

          Aussichten hellen sich auf

          Generell fällt der aktualisierte Konjunkturausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) weniger düster als noch im vergangenen Oktober. Die Weltwirtschaft wird demzufolge zwar in diesem Jahr mit 2,9 Prozent schwächer wachsen als noch im Vorjahr (3,4 Prozent), bevor sie im kommenden Jahr wieder zulegt (3,1 Prozent). Auch lasten der Ukraine-Krieg und der globale Kampf gegen Inflation weiter auf der Konjunktur und drücken die Wachstumsraten auf ein historisches Niedrigniveau. Doch dieses Jahr könnte die Wende zum Besseren bringen mit schrumpfender Teuerungsrate und steigendem Wachstum, erwarten die IWF-Volkswirte.

          Die Konjunkturprognose steht im starken Kontrast zum jüngst veröffentlichten Ausblick der Weltbank, die die eine Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent für dieses Jahr ermittelte. Die Weltbank ist pessimistischer hinsichtlich der Entwicklungen in den Industrieländern und China.

          Folgende Gründe führte Gourinchas dafür an, dass sich nach Einschätzung des IWF die Perspektiven leicht aufgehellt haben. In vielen Ländern hätten sich im dritten Vierteljahr 2022 Konsum und Investitionen als robuster erweisen als vorhergesagt. Vor allem Europa meisterte die Energiekrise besser als kalkuliert. Dazu kommt, dass die Inflation in vielen Ländern den Höhepunkt überschritten habe. Das führte zu besseren Finanzierungsbedingungen und einer Schwächung des Dollars. Damit haben es vor allem Schwellenländer leichter, Dollarkredite zu bedienen. Positive Konjunkturimpulse erwartet sich der IWF auch von Chinas neuer Covid-Politik. Das Land hebt die meisten Beschränkungen auf. „Wir sehen generell ein deutlich niedrigeres Risiko einer Rezession als noch vor einem Jahr, sowohl weltweit als auch in vielen Ländern“, sagte Gourinchas.

          Im Langfristvergleich niedriges Wachstum

          Risiken allerdings blieben. Der Krieg in der Ukraine könnte eskalieren und die Preise für Energie und Lebensmittel wieder nach oben treiben. Chinas konjunkturelle Erholung könnte holpriger als erhofft verlaufen, wenn neue Infektionswellen Teile der Wirtschaft lähmten oder sich die Immobilienkrise als schwerwiegender herausstellt als aktuell kalkuliert. Das für 2023 vorher gesagte Wirtschaftswachstum liegt mit 2,9 Prozent deutlich unter dem historischen Maßstab: Von 2000 bis 2019 hatte das Wachstumsplus im Schnitt 3,8 Prozent betragen. Der aktuelle Zuwachs hängst überdies überproportional von zwei Ländern ab: Indien und China steuern mehr als 50 Prozent des globalen Wirtschaftswachstums bei.

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