
Weihrauchwirtschaft in Oman : Der Duft des Himmels
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Damals hätten die Leute gespottet, ob er denn noch bei Sinnen sei, erinnert sich der Alte in seiner seltenen Sprache. Arabisch spricht er kaum. Eine Schule, wo er Arabisch gelernt hätte, hat er nie besucht. Wie die Beduinen in dieser Region spricht er den südarabischen Mahari-Dialekt, und in dem erzählt er, wie es ihm andere nach und nach gleichgetan haben, wie sie Häuser bauten und das Dorf Rabkut entstand, mit jungen Akazien und Hassans kleinem Gemischtwarenladen. Jemand brachte ihm bei, wie er seinen Namen schreibt. Bis heute trägt Hassan ebenso wie sein Bruder Mussallem keine Schuhe, und wenn sie zusammensitzen, trinken sie aus derselben Schale Ziegenmilch.
„Nie haben wir erwartet, eines Tages in einem solchen Haus leben zu dürfen, mit einem Luxus wie fließendem Wasser und Strom“, freut sich Musallem noch immer. Früher hätten sie gehungert, hätten manchmal drei Tage nichts zu essen gehabt. „Was ist das heute aber für ein Paradies.“ Immer war ihr Leben einfach. Sie hielten Tiere, verkauften das Weihrauchharz und Salzsteine der Wüste, Produkte des Saaf-Baums wie kunstvoll geknüpfte Teppiche. Glücklich seien sie gewesen, bis die Nachfrage nach Weihrauch im Zweiten Weltkrieg, Hassan sagt „im Hitlerkrieg“, völlig weggebrochen sei. Da habe sich ihr Leben grundlegend verändert. Indien stellte seine Käufe ein und lieferte im Gegenzug keinen Reis und keine Textilien mehr. Auch in den anderen Ländern herrschte Wirtschaftskrise. Der Irak lieferte keine Datteln mehr, Ostafrika keine Nahrungsmittel. Im Jahr des Atomangriffs von Hiroshima blieb der Monsun aus, der das Bergland unmittelbar um Salalah erreicht und von Juni bis September in eine üppig grüne Tropenlandschaft verwandelt. Damit verarmte auch die agrarische Bergbevölkerung.
Vieles ist über die Zeit anders geworden
„Nach dem Krieg war nichts mehr wie zuvor“, erzählt Hassan. Dann aber entwickelte sich der 1970 in die Unabhängigkeit entlassene Staat Oman langsam, schuf Arbeitsplätze. Wer einst vom Weihrauch gelebt hat, bezieht heute ein Gehalt vom Staat, lebt von Ziegen, Kühen und natürlich Kamelen. Keiner ist mehr gezwungen, in die Steinwüste zu gehen, um vom Boswellia-Baum das Harz abzukratzen. Vor drei Jahrzehnten erwachte schließlich in Oman und jenseits der Grenzen das Interesse am Weihrauchharz. Der Export setzte ein, in andere arabische Staaten, aber auch nach Europa und Amerika.
Es gab aber nur noch wenige, die wie Hassan und Mussallem die Bäume über Monate in harter täglicher Arbeit selbst schneiden wollten. Da kamen von der anderen Seite des Golfs von Aden die Somalier. In Somalia wächst ebenfalls der Boswellia-Baum, auch wenn sein Harz wegen des anderen Klimas eine geringere Qualität hat. Viele Mahari aus dem Dhofar-Gebirge verpachten ihre Bäume an sie. Da die Somalier schnell viel Geld machen wollen und die Bäume auch im Winter anschneiden, sind sie zu einer Gefahr für den Baum geworden, ebenso wie die Kamele, für die die Blätter des Baums ein Genuss sind. Ohne Blätter auf der Baumkrone stirbt der Baum aber. Hassan kann sich gut daran erinnern, wie auf der Steinwüste, auf der wir eben waren und auf der nur noch ein paar Bäume stehen, vor einem halben Jahrhundert ein dichter Wald gestanden hatte.
Vieles ist über die Zeit anders geworden, auch der Transport des wieder wertvoll gewordenen Harzes aus den unwegsamen Hochebenen des Dhofar-Gebirges auf die Märkte. In der Antike hatte er zwei Wege genommen: Große Kamelkarawanen waren am mächtigen Yanu-Canyon, der es mit berühmteren Canyons aufnehmen kann, auf dem Landweg in Richtung Norden aufgebrochen, nach Petra und ans Mittelmeer. Kleinere Karawanen brachten das Harz in zwei Tagen hinab zum legendären Hafen Samharam, der in der Antike zu den reichsten Städten der Welt gezählt hatte. Von dort erreichten die Säcke mit dem Harz aus dem Jebel Samhan, von wo das beste Harz „Haugar“ kommt, über die Weltmeere die Märkte in China, Indien, Ostafrika und dem Irak.