Bäder senken Temperatur : Freibadsaison startet mit unangenehmer Überraschung
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Abkühlung: Eine Frau schwimmt im Freibad Frankfurt Nieder-Eschbach. Bild: Nerea Lakuntza
Steigende Gaspreise stellen auch Schwimmbäder vor Herausforderungen. Das Wasser wird kälter und mancherorts beginnt die Saison später. Nicht jeder Badegast lässt sich davon abschrecken.
Ein Sommer wie früher hätte es werden sollen: Coronabedingte Einschränkungen fallen in der neuen Badesaison endlich weg, ob Abstandsregeln, beschränkte Gästezahlen oder Zeitslots für den Eintritt. Freie Bahn für den Freibadbesuch also, das war die Hoffnung. Doch ein gänzlich unbeschwerter Sommer wird es in den Bädern nun doch nicht.
Zwölf Grad Celsius kalt ist das Wasser, das aus der Leitung ins Becken sprudelt. Damit es eine Temperatur von angenehmen 28 Grad erreicht, braucht es eine Menge Energie. Zu viel, meinen Experten angesichts der steigenden Gaspreise. Seit Kurzem wird deswegen das Wasser in vielen Schwimmbädern Deutschlands nur noch auf 26 Grad Celsius beheizt. In einigen wenigen wurden bereits Rutschen und Saunen stillgelegt.
So sind etwa in Berlin alle Freibäder angehalten, die Wassertemperatur um bis zu zwei Grad zu senken. Ausgenommen sind nur die Bäder, die das Wasser ausschließlich mit Solarenergie erwärmen. Ausgenommen sind auch Nichtschwimmerbecken, Therapiebecken und reine Kindersommerbäder. „In den 37 Schwimmhallen senken wir die Temperaturen um etwa ein Grad“, heißt es vonseiten der Berliner Bäder. Bis zu 25 Prozent Energie und mehrere Tausend Euro sollen damit eingespart werden. Pro Jahr geben die Betriebe zwischen 750 000 und 850 000 Euro für Gas aus. Insgesamt betragen die Kosten fürs Beheizen der Bäder in Berlin 3,5 Millionen Euro im Jahr.
Vorbereitung für den Worst Case
Andere gehen noch weiter: Im hessischen Waldschwimmbad Kronberg verzichtet man auf das Beheizen mit Erdgas komplett und verschiebt deswegen den Saisonstart um zwei Wochen auf den 14. Mai. Dann sollen es Außentemperatur und Witterung möglich machen, das Wasser ausschließlich mit Solarenergie zu beheizen. Ein Drittel des Gasverbrauchs soll damit eingespart werden. 2021 betrug der Gasverbrauch etwa 134 000 Kilowattstunden. Das entspreche Kosten von knapp 6000 Euro, erklärt der Pressesprecher der Stadt, Andreas Bloching. Gerechnet wird mit einer Kostenersparnis von 45 000 Kilowattstunden, rund 2000 Euro. „Wenn wir davon ausgehen, dass die Preise für Energie weiter steigen, dürfte die Kostenersparnis sogar noch höher ausfallen“, vermutet Bloching.
Die 6000 Hallen- und Freibäder Deutschlands müssen sich derweil nicht nur an hohe Preise anpassen, sondern sich auch auf den Ernstfall vorbereiten: Mitte April ließ die Deutsche Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB) mit einem zwölfseitigen Bericht aufhorchen, der potentielle Worst-Case-Szenarien beschreibt. Unter Szenario eins werden „deutlich reduzierte Energielieferungen an Schwimmbäder“ verstanden: „Ein Betrieb ist nur unter ganz spezifischen, sehr energiesparenden Bedingungen möglich.“
Szenario zwei sieht sogar vor, Schwimmbäder kurzzeitig gänzlich zu schließen: „Schwimmbäder werden nicht als kritische Infrastruktur betrachtet und müssen mit ihren spezifisch hohen Energieverbräuchen im Bereich Wärme und Strom kurzfristig vom Netz gehen“, heißt es in dem Bericht. Die Absenkung der Beckenwassertemperaturen wird darin als die erste, schnellstmöglich durchführbare Maßnahme angegeben. Wenn man so einen Beitrag dazu leisten könne, dass im kommenden Winter noch ausreichend Gas in den Speichern ist, um kritische Infrastruktur wie Krankenhäuser zu versorgen, dann werde das „sicher auch Akzeptanz bei den Badegästen finden“, hofft Stefan Mersmann von der DGfdB.
Bisher stand der Klimaschutz im Vordergrund
Unvorbereitet trifft die Krise die Bäder nicht: „Wir haben uns schon lange mit dem Thema Energieeffizienz beschäftigt – etwa während der Corona-Krise“, heißt es von der DGfdB. Denn einfach abschalten konnte man die Schwimmbäder auch während des Corona-Lockdowns nicht – zu groß wären die Kosten für Wartung und Reinigung. Bisher stand jedoch immer der Klimaschutz im Vordergrund. „Nun stellt sich heraus, dass viele der angedachten Maßnahmen viel schneller umgesetzt werden müssen“, so der Bericht.
Tatsächlich stößt die Maßnahme größtenteils auf Verständnis – sowohl bei den Bädern als auch den Badegästen. „Wir erfahren viel Solidarität. Nur einzelne Unternehmen ziehen noch nicht mit“, heißt es aus der Presseabteilung der DGfdB. Vereinzelt würden Bäder einen Marktvorteil gegenüber der Konkurrenz sehen, wenn sie die Temperatur nicht senken. Bei den herkömmlichen Wassertemperaturen bleiben wollen auch die Frankfurter Bäder. „Der Besuch im Schwimmbad muss für jedermann und jedefrau ein angenehmes Erlebnis bleiben“, erklärt deren Chef Boris Zielinski. Schließlich ändere sich ja auch an den Ticketpreisen trotz Energieeinsparung nichts.