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Kommentar : Von wegen Altersarmut!

  • -Aktualisiert am

Rentner an der Ostsee Bild: dpa

Gerade erst hat die Regierung die fetteste Rentenerhöhung seit 23 Jahren gebilligt. Jetzt aber erklären etliche Alarmisten, ab 2029 werde uns das Elend der Altersarmut überkommen. Dabei werden wir immer reicher.

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          Da läuft etwas in die falsche Richtung: Während die Regierung in der vergangenen Woche die fetteste Rentenerhöhung seit 23 Jahren gebilligt hat (4,25 Prozent mehr Geld im Westen, 5,95 Prozent mehr Geld im Osten), debattiert das Land, angeführt von den beiden Leithammeln Sigmar Gabriel und Horst Seehofer, über eine drohende Verarmung alter Leute.

          Wie passt das zusammen? Antwort: Da passt gar nichts zusammen. Die von den versammelten Alarmisten gegebene Erklärung, heute sei zwar noch alles gut, aber im Jahr 2029 werde uns das Elend überkommen, verfängt jedenfalls nicht. Dazu muss man sich ein paar Zahlen vor Augen führen, die allesamt aus dem aktuellen Rentenbericht der SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles stammen (also nicht von den üblichen Gesundbetern) und vom Verband der Rentenversicherer auf Bitten der F.A.S. konkretisiert wurden. Denn auch in den kommenden dreizehn Jahren werden die Rentenerhöhungen im Durchschnitt jährlich mehr als zwei Prozent betragen, was sich auf eine Einkommensverbesserung der Ruheständler um insgesamt 41 Prozent addiert. Selbst wenn die Inflation im selben Zeitraum wieder etwas zulegen sollte (was alles andere als gewiss ist), bleibt am Ende eine deutliche Steigerung der realen Rentenzahlungen. Wir werden nicht immer ärmer, sondern immer reicher. Keine Rede von Altersarmut.

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          Hier kontern die Alarmisten und verweisen darauf, dass das Rentenniveau, also die Altersbezüge bezogen auf die früheren Einkommen, im selben Zeitraum von heute 47,7 auf dann nur noch 44,6 Prozent fallen werde. Doch auch daraus wird am Ende keine Altersarmut. Der exemplarische „Eckrentner“, der mit einem Durchschnittsverdienst 45 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, bezieht heute eine Rente von 1301 Euro. Im Jahr 2029 steigt sein Rentenanspruch auf 2029 Euro, obwohl das Rentenniveau um mehr als drei Prozentpunkte sinkt.

          Summa summarum: Die Absenkung des Rentenniveaus, die eingeführt wurde, um der demographischen Falle zu entkommen, bedeutet keine Rentenkürzung. Das wird in der aktuellen Debatte über die Altersarmut ständig und grottenfalsch durcheinandergeworfen. Denn mit den Rentenansprüchen für den Eckrentner steigen auch die Auszahlungserwartungen für die Grundsicherung, die als Armutsgrenze zu bezeichnen man sich angewöhnt hat. Das bedeutet, dass auch der Arme in dreizehn Jahren mehr Geld zum Leben hat als heute - und zwar auch real deutlich mehr, als von der Teuerung weggefressen wird.

          Dass die gesetzliche Rente derzeit relativ gut funktioniert, liegt einzig und allein am gut funktionierenden Arbeitsmarkt. Es gibt zwar weniger jüngere Deutsche, aber es gibt immer mehr Deutsche in Lohn und Brot, deren Einkommen steigen dank erfolgreicher Tarifpolitik der Gewerkschaften. An genau jenen Erfolg der Jüngeren ist das steigende Einkommen der Älteren gekoppelt.

          Nach 2029 könnte es schwieriger werden. Denn dann sind all die putzmunteren Babyboomer im Ruhestand, deren Lebenserwartung glücklicherweise hoch ist. Und die Geburtenrate wird immer noch nicht besser sein. Da hilft nur: privat vorsorgen und hören auf den 73-jährigen Finanzminister Wolfgang Schäuble, der das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre erhöhen will. Das bringt mehr Beiträge und verkürzt zugleich die Ansprüche. Noch besser wäre es, das gesetzliche Renteneintrittsalter ganz abzuschaffen. Dann hätte jeder selbst die Wahl, ob er, weil reich geerbt oder üppig gespart, früher in Rente geht, oder ob er, weil das Arbeiten Spaß macht und Sinn gibt, noch ein paar Jahre länger seinen Beruf ausüben möchte.

          Woher also die ganze Aufregung? Vielleicht liegt es doch daran, dass die beiden Kleinparteien SPD und CDU/CSU ein Wahlkampfthema brauchen und bei den 20 Millionen Rentnern auf Stimmen hoffen.

          Rainer Hank
          Freier Autor in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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