Tourismus in Italien : La Dolce Vita ist anderswo
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Paradies für Sonnenanbeter: ein Blick auf die Adriaküste zwischen Ravenna und Rimini Bild: Bernhard Lang/2015 Sony World Photography Awards
Italien war das beliebteste Reiseziel der Deutschen – bis in die achtziger Jahre. Seither ruht sich Italien aus und verschenkt seine Chancen.
Italiens Politiker finden immer einen Anlass, die Anziehungskraft ihres Landes auf Urlauber und Touristen zu preisen. „Die Ausländer beneiden uns um unseren Lebensstil und wollen ihn unbedingt nachahmen“, ist einer der Standardsätze. Alles klingt, als stünde einem Riesenerfolg Italiens auf dem Reisemarkt nie ein Hindernis im Weg.
Doch die Realität sieht anders aus. Als Reiseziel verliert die Türkei, die den Italienern in den vergangenen Jahrzehnten kräftig Marktanteile abgejagt hat, ebenso wie Ägypten und Tunesien an Attraktivität wegen islamistischer Attentate und Polizeistaatsmethoden. Aber wer profitiert? Nicht Italien, sondern vor allem Spanien und Griechenland (siehe Grafik). Nach einer Befragung von 7000 Deutschen durch das Kieler Institut „Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen“ wollen weiterhin nur rund 8 Prozent der deutschen Urlauber nach Italien. Aber fast 14 Prozent nach Spanien.
Das Interesse der Deutschen an einem längeren Urlaub in Italien ist schon lange nicht mehr so groß wie einst. Die gleiche Umfrage hatte noch 1985 ergeben, dass damals mehr als 12 Prozent der Deutschen nach Italien reisen wollten. Seither haben die Italiener ein Drittel ihres Marktanteils in Deutschland verloren, ohne dass darüber je Ursachenforschung betrieben worden wäre.
Nur wenig Motivation für Werbung im Ausland
Für die Stagnation der vergangenen Jahre sieht Philipp Wagner vom Kieler Institut konkrete Gründe: Die Türkei und Ägypten seien Länder, die vor allem mit Pauschalreisen angesteuert würden. Als es dort Probleme gab, wurden die Urlauber nach Spanien und Griechenland umgebucht, weil es dort entsprechende Hotelkapazitäten gab, sagt Wagner. Italien gilt dagegen als ein Land, wo sich jeder seinen Urlaub selbst zusammenstellt. Von den großen Reiseveranstaltern konnte Italien daher nicht profitieren. Davon wurden die Italiener schon lange abgehängt.
Schließlich haben zuletzt auch wieder mehr Italiener selbst ihre Ferienregionen gefüllt, weil die lange Wirtschaftskrise im Land endlich überwunden scheint und viele Einheimische wieder mehr Geld für Italien-Urlaube ausgeben. Die Motivation für Werbung im Ausland hat damit eher abgenommen.
Doch die Deutschen, die in den sechziger und siebziger Jahren die Adriastrände und die Riviera bevölkerten, haben längst andere, weiter entfernte Reiseziele. Rimini zählt dagegen nur halb so viele deutsche Gäste wie früher einmal. Der alte Badeurlaub ist längst out. Attraktiv ist die Toskana mit unverbauter Landschaft, Wein und kulinarischen Erlebnissen. Doch die Strände und die potentiellen Reiseziele in Süditalien wurden wenig entwickelt. Während die Türkei und Ägypten einen großen Aufschwung auf dem Reisemarkt erlebten, blieb die Kurve der touristischen Entwicklung in Süditalien immer ziemlich flach. Früher, als die Deutschen mit dem Auto nach Italien reisten, war der Süden schwer erreichbar. Doch längst kommen die Urlauber mit dem Flugzeug. Doch diese Chance hat Italiens Mezzogiorno nicht genutzt.
Billigflieger statt Tourismusstrategie
Dabei besitzt Süditalien zusammen mit Sardinien und Sizilien rund drei Viertel der 9000 Kilometer an italienischen Küsten. Dazu auch die Hälfte der 51 Stätten des italienischen Weltkulturerbes. Die offizielle Tourismusstatistik berichtet aber, dass nur 22 Prozent der Übernachtungen in Italien auf Süditalien, Sardinien und Sizilien entfallen.
Diesen traurigen Umstand diskutieren die Italiener nicht in der Öffentlichkeit. Denn viele Dinge verstellen den Blick. Zum einen gibt es Millionen von Besuchern, die für zwei oder drei Tage in eine Kulturstadt kommen, nach Rom, Florenz oder Venedig. Diese Touristenströme wurden aber nicht von irgendwelchen Tourismusstrategien ausgelöst, sondern nur von den Billigfliegern, die eine Reise über ein Wochenende spottbillig gemacht haben.