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DIW-Studie : Warum der Aufschwung bei den Armen der Gesellschaft nicht ankommt

  • Aktualisiert am

Berlin: „Armut!“ steht am Potsdamer Platz an einer Wand. Bild: dpa

Deutschland boomt, die Arbeitslosigkeit sinkt. Trotzdem kommen einer Studie zufolge steigende Einkommen bei den Armen der Gesellschaft nicht an. Wie kann das sein? Ein Grund für diesen Anschein ist die Zuwanderung.

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          Der anhaltende Wirtschaftsaufschwung in Deutschland kommt einer Studie zufolge nicht bei allen Bürgern an. So stiegen seit Anfang der Neunzigerjahre die realen Einkommen der Privathaushalte in Deutschland durchschnittlich um 15 Prozent. Die ärmste Gruppe von Haushalten verzeichnete jedoch keinen Einkommenszuwachs, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) berechnet hat. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Zuwanderung zugenommen hat.

          Deutschland geht ins neunte Wachstums-Jahr in Folge. Bundesregierung und führende Forschungsinstitute erwarten einen fortgesetzten wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland. Die Arbeitslosigkeit soll Prognosen zufolge weiter zurückgehen. Zwischen 1991 und 2015 allerdings waren bei den zehn Prozent der Personen mit den niedrigsten Einkommen, die monatlich im Durchschnitt real über rund 640 Euro verfügen, laut Studie die Haushaltseinkommen rückläufig. Demgegenüber stiegen die Einkommen der Top-Verdiener zwischen 1991 und 2015 im Schnitt um 30 Prozent. Basis der Berechnungen sind die aktuellsten verfügbaren Daten der Längsschnittstudie Soziooekonomisches Panel.

          Bei weitem nicht alle Menschen in Deutschland hätten von der positiven Einkommensentwicklung profitiert, erläuterte Studienautor Markus Grabka. Das habe mehrere Gründe: Zum einen die Ausweitung des Niedriglohnsektors, zum anderen der wachsende Bevölkerungsanteil älterer Menschen – deren Alterseinkommen im Schnitt geringer als die Erwerbseinkommen der arbeitenden Bevölkerung seien.

          Zuwanderer verdienen direkt nach Ankunft normalerweise wenig

          Eine Rolle spiele außerdem die Zuwanderung, die seit 2007 zugenommen habe. „Diese neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger haben aber in der ersten Zeit nach ihrer Ankunft in der Regel niedrige Einkommen“, erläuterte Co-Studienautor Jan Goebel. Das zeige sich auch daran, dass der Anteil der Personen mit direktem Migrationshintergrund, die also selbst nach Deutschland zugewandert seien, an den niedrigen Einkommensgruppen zunehme. Allerdings zeigten die verfügbaren Daten, dass sich die Einkommensposition der Migranten verbessere, je länger sie sich im Land aufhalten.

          Die Studie legt außerdem dar, dass in den vergangenen Jahren das Armutsrisiko gestiegen sei. Die Schwelle liegt laut Definition bei einem verfügbaren Nettohaushaltseinkommen von 1090 Euro für einen Einpersonenhaushalt. Die Armutsrisikoquote, also der Anteil der Bevölkerung, deren Einkommen unter dieser Schwelle liegt, lag demnach im Jahr 2015 bei 16,8 Prozent. In den 1990er Jahren habe diese Quote noch elf Prozent betragen, im Jahr 2014 knapp 16 Prozent.

          Ein relevanter Teil des Anstiegs sei auf die Zuwanderung zurückzuführen. Menschen mit direktem Migrationshintergrund hätten im Jahr 2015 eine Armutsrisikoquote von 29 Prozent, Personen mit indirektem Migrationshintergrund - von denen mindestens ein Elternteil zugewandert ist - von 25 Prozent. In diesen Zahlen sind die Menschen, die erst im Jahr 2015 und später nach Deutschland zugewandert sind, noch nicht enthalten. Eine wesentliche Aufgabe für die Gesellschaft als Ganzes und insbesondere für die Politik sei es, die neu zugezogenen Migranten schnell und zielgenau zu unterstützen, damit ihre Integration rasch erfolge und sie schnell höhere Einkommen erzielen können, so Goebel.

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