Nach Warnstreik : Zugverkehr rollt langsam wieder an
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Im Dresdner Hauptbahnhof hält sich das Gedränge der Reisenden am Montagmorgen in Grenzen. Bild: dpa
Nach dem heftigen Streik am Montagmorgen normalisiert sich der Zugverkehr sehr langsam wieder. Die Gewerkschaft droht allerdings schon neue Arbeitsniederlegungen an.
Ein unerwartet harter Warnstreik hat am Montag Millionen Bahnkunden in Deutschland getroffen. Insgesamt fielen 1400 Züge aus oder verspätet los. Die Gewerkschaft EVG hatte ihren Warnstreik an diesem Montagvormittag um 9 Uhr beendet, Bahnfahrer müssen aber noch den ganzen Tag mit Einschränkungen rechnen. Vor allem im Fernverkehr werden die Folgen noch den ganzen Tag zu spüren sein. „Wenn der Fahrplan erst einmal durcheinander ist, dauert das eine Weile, bis alles wieder läuft“, sagte ein Sprecher der EVG.
„Die Wucht des Streiks macht deutlich, wie groß die Verärgerung der Kollegen darüber ist, dass weiter kein abschlussfähiges Angebot vorliegt“, so die Gewerkschaft. Sie erwarte von der Bahn „ein substantiell besseres Angebot“. Die EVG hatte am Samstag die Verhandlungen für etwa 160.000 Beschäftigte abgebrochen. Aus Sicht der Gewerkschaft waren die angebotenen Lohnsteigerungen nicht hoch genug. Der letzte Streik bei der Bahn ist dreieinhalb Jahre her, nun wollen die Tarifparteien am Dienstagnachmittag weiter verhandeln. Konkrete Pläne für einen weiteren Warnstreik gibt es daher im Moment nicht.
Die Bahn führt derzeit mit zwei Seiten Tarifgespräche - zum einen mit der EVG, zum anderen mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Mit der GDL kommt die Bahn ebenfalls am Dienstag in Eisenach wieder zusammen. Dort droht nicht so schnell ein Arbeitskampf: Die GDL darf wegen einer Vereinbarung erst streiken, wenn vorher eine Schlichtung gescheitert ist.
Anders ist das bei der EVG. Die Bahn hatte drei Tage lang separat mit beiden Gewerkschaften verhandelt. Beide hatten ursprünglich 7,5 Prozent mehr Geld gefordert. Die Bahn bot nach eigenen Angaben eine Entgelt-Erhöhung von insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen und eine Einmalzahlung von 500 Euro an. Anstelle der zweiten Stufe sollte den Mitarbeitern abermals die Möglichkeit eröffnet werden, mehr Freizeit zu wählen. Dies sollte nach Darstellung der EVG aber erst ab Anfang 2021 möglich sein.
Bahn: Reisen besser auf Dienstag verschieben
Der vierstündige Warnstreik hatte am Morgen um 5 Uhr begonnen. ICE und Intercitys fuhren nicht, auch im Regionalverkehr kam es zu erheblichen Einschränkungen, in einzelnen Bundesländern fuhr kaum ein Zug. Auch die Reisezentren wurden bestreikt.
Vor dem Streik hatte der Konzern seinen Kunden empfohlen, Reisen auf Dienstag zu verschieben. Alle Tickets behielten ihre Gültigkeit, Zugbindungen seien aufgehoben – auch für den Dienstag. Im Fall von Reiseabsagen wegen des Warnstreiks ist geplant, dass sich Tickets und Reservierungen erstatten lassen.
Auch Regionalverkehr betroffen
In mehreren Bundesländern war auch der Regionalverkehr von den Streiks sehr stark betroffen. Schwerpunkte des Warnstreiks waren die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, deshalb kam und kommt es im Südwesten zu besonders erheblichen Einschränkungen.
Auch in Hessen stand der Regionalverkehr weitgehend still. Züge konnten nur noch sehr vereinzelt fahren. Der Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV) hatte schon am frühen Morgen den gesamten S-Bahn Betrieb eingestellt, mittlerweile rollte der Verkehr aber wieder an.
Auch in Bayern war der Bahnverkehr zum größten Teil eingestellt, nur die Stammstrecke der S-Bahn in München blieb in Betrieb. Im Großraum Baden ging ebenfalls fast nichts mehr, gleiches galt für den Regionalverkehr in Nordrhein-Westfalen. Die Aufzählung ist nicht abschließend.
Vom Karlsruher Hauptbahnhof fuhr am Montagmorgen nach Angaben der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kein Zug mehr, im Stadtgebiet Nürnberg ebenfalls nicht. In Berlin sollten ab 6 Uhr alle S-Bahnen ausfallen. Besonders chaotisch wurde in der Hauptstadt die Lage dadurch, dass sämtliche Lautsprecheranlagen in den Bahnhöfen nicht funktionierten.
Grüne kritisieren Preiserhöhungen
Zum Wochenende griff bei der Bahn ein Fahrplanwechsel. Es gibt zwar mehr Züge, doch auch die Preise sind gestiegen: im Fernverkehr im Durchschnitt um 1,9 Prozent. Bahnfahrten im Regionalverkehr über Grenzen von Verkehrsverbünden hinweg werden im Durchschnitt 1,5 Prozent teurer.
Baden-Württemberg Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) kritisierte die Bahn. „Schlechte Leistungen und die Anhebung der Fahrpreise passen nicht zusammen und sind nicht akzeptabel“, teilte der Minister am Sonntag in Stuttgart mit. „Das ist für die Fahrgäste höchst ärgerlich und trägt nicht dazu bei, den aus Klimaschutzgründen notwendigen Umstieg auf das umweltfreundliche Verkehrsmittel Bahn zu fördern.“
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte derweil das Fahrscheinsystem. „Das Ticketsystem versteht kaum ein Fahrgast“, sagte er schon am Samstag. „Das günstigste Ticket muss jeder auf einen Blick erfassen können – am Automaten und im Internet“, forderte Hofreiter. Um Tickets günstiger zu machen, wolle seine Partei den Mehrwertsteuersatz auf Bahn-Tickets auf 7 Prozent senken.
Zudem würden Steuergelder von ineffizienten Strukturen verschlungen. „Die Anzahl der neuen Züge kann man an einer Hand ablesen“, kritisierte Hofreiter. Gebraucht werde ein Neustart für die Bahn. Bundesregierung und Bahnvorstand müssen „das zersplitterte Zuständigkeitschaos von vielen kleinen Tochtergesellschaften“ beenden. Nur so könne das Schienennetz und das Wagenangebot rasch auf Vordermann gebracht werden.