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Bundeshaushalt : War das der vorerst letzte Überschuss?

Eine Hand legt eine 1-Euro-Münze auf eine Waage. Bild: dpa

Die Konjunkturaussichten trüben sich ein und der Bund steht vor einer wachsenden Finanzlücke. Wie lange reichen die Rücklagen, um den Haushalt auszugleichen?

          3 Min.

          Der Überschuss des Bundeshaushaltes im Jahr 2018 könnte auf absehbare Zeit der letzte gewesen sein. Zuletzt wurde er in Koalitionskreisen in der Größenordnung von 15 Milliarden Euro gesehen. Die Wahrnehmung der wahren Lage hinkt der absehbaren Entwicklung hinterher. Bisher haben die gute Konjunktur und die wachsende Beschäftigung dafür gesorgt, dass die Steuereinnahmen nicht nur im Jahresturnus neue Rekordmarken erreichten, sondern auch regelmäßig über den Erwartungen lagen, die der Finanzplanung zugrunde lagen. Es regnete Geld vom Himmel, das zuverlässig half, kleine Sünden der sogenannten großen Koalition auszugleichen.

          Manfred Schäfers
          Wirtschaftskorrespondent in Berlin.

          Nun trüben sich die Konjunkturaussichten ein. Sachverständigenrat, Bundesbank, Wirtschaftsforschungsinstitute – alle haben sie ihre Wachstumsvorhersagen für das nächste Jahr korrigiert. Beispielsweise schätzt das Münchener Ifo-Institut das Wachstum der deutschen Wirtschaft im Jahr 2018 nur noch auf 1,5 Prozent und für 2019 sogar nur noch auf 1,1 Prozent. Zuvor waren die Ökonomen von jeweils 1,9 Prozent ausgegangen.

          Wenn das Bruttoinlandsprodukt kleiner ausfällt, schlägt das auf das Steueraufkommen durch. Etwa 23 Prozent der Wirtschaftsleistung gehen derzeit an das Finanzamt. Für den Bund wird allein das eine Milliardenlücke bedeuten, wenn sich die aktuellen Vorhersagen bewahrheiten sollten. Zudem gibt es Steueränderungen, die in der jüngsten Schätzung noch nicht berücksichtigt worden sind, weil sie noch keine Gesetzeskraft hatten. Stichworte sind in diesem Zusammenhang Familienentlastung, Kindertagesstätten, steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus, Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten und natürlich der Abbau des Solidaritätszuschlags.

          Absehbare Belastungen

          Das alles wird entweder direkt zu einem geringeren Aufkommen führen oder die Aufteilung der Umsatzsteuer zu Lasten des Bundes verändern. Es gibt zwar dafür eine gewisse Vorsorge in der Finanzplanung („globale Mindereinnahmen“), aber diese wird nicht reichen – selbst wenn die CDU darauf verzichten sollte, ihren Parteitagsbeschluss zum vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags in dieser Legislaturperiode ernsthaft zu verfolgen.

          Erschwerend kommt hinzu, dass in der Vergangenheit Mittel für Investitionen bereitgestellt wurden, die nicht abgeflossen sind. Sie sind übertragbar, das heißt, sie können weiterhin ausgegeben werden. Es geht hier um eine Größenordnung von gut 7 Milliarden Euro. Zudem gab es beim Haushalt 2019 Änderungen in letzter Minute, die zunächst noch verkraftbar sind, nicht aber auf längere Sicht. So haben die Abgeordneten die Ausgaben für 2019 kurzerhand um 4,3 Milliarden Euro erhöht. Es ist erfahrungsgemäß kaum möglich, das Geld im Jahr darauf wieder zu streichen. Besonders belastend sind höhere Zusagen für spätere Jahre. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) konnte sich über zusätzliche „Verpflichtungsermächtigungen“ von 5,6 Milliarden Euro freuen, die es ihr erlauben, große Beschaffungsprojekte zu starten, es geht um ein Mehrzweckkampfschiff, Transporthubschrauber, das Raketenabwehrsystems TLVS und U-Boote. Insgesamt stiegen diese Verpflichtungsermächtigungen um 13,4 Milliarden Euro.

          Schließlich gibt es Belastungen, die absehbar sind, auch wenn dem noch keine Beschlüsse zugrunde liegen. Dazu gehören die Abführungen an den europäischen Haushalt, die der Nato in Aussicht gestellte Steigerung der Verteidigungsausgaben und das Ziel, den Anteil der Entwicklungsausgaben an der Wirtschaftsleistung stabil zu halten. Schon im Jahr 2020 wird dies nach Schätzungen in der Koalition die Ausgaben um 5 Milliarden Euro nach oben treiben. 2022 könnten schon 16 Milliarden Euro zusätzlich vonnöten sein. Hinzu kommen politische Ziele, die von der Koalition verfolgt werden, aber nicht oder nicht ausreichend finanziert sind. Dazu gehören die Digitalstrategie mit der Förderung der Künstlichen Intelligenz, die Unterstützung für eine Batteriezellenfertigung in Deutschland, die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung und die steuerliche Forschungsförderung.

          In seiner Prognose von Mitte November geht das Bundesfinanzministerium für die Jahre 2019 bis 2021 von einem wachsenden Finanzierungssaldo im oberen einstelligen Milliardenbereich aus. Dabei dürfte es kaum bleiben. Die Asyl-Rücklage umfasst derzeit 24 Milliarden Euro. Der Griff in diese Rücklage ermöglicht es zwar, ohne neue Kredite zu wirtschaften, also die schwarze Null auf dem Papier zu halten, aber strukturell rutscht der Haushalt absehbar ins Minus.

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