Umweltschützer vs. Volkswagen : Klimaschützer wollen Aus für Verbrenner erzwingen
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Im Kampf gegen den Klimawandel könnten Verbrenner in der Zukunft verboten sein. Bild: dpa
Am Landgericht Detmold beginnt ein Prozess gegen Europas größten Autokonzern VW. Dieser kann für die Zukunft der Branche entscheidend sein. Auch für weitere Klimaschutzklagen könnte die Entscheidung wegweisend sein.
Ulf Allhoff-Cramer hat Angst, dass ihm der Klimawandel seine Existenz raubt. Der Biolandwirt aus dem Kreis Lippe in Nordrhein-Westfalen beobachtet schon länger, dass sich das Wetter ändert. „Die Extreme werden stärker, lange Dürreperioden und heftige Unwetter gefährden unsere Ernte und damit unsere Existenzgrundlage“, sagt er. Eine Mitschuld gibt er der Industrie, besonders der Autobranche mit ihren Verbrennungsmotoren. Vor dem Landgericht Detmold will er nun Europas Marktführer Volkswagen zwingen, die Emissionen seiner Fahrzeuge drastisch zu reduzieren.
Was aussieht wie ein Kampf von David gegen Goliath ist der Auftakt strategischer Klimaklagen, die Umweltschützer gegen die Autobranche gestartet haben. Unterstützt wird Allhoff-Cramer von Greenpeace, deren Aktivisten auch hinter einer ähnlichen Klage am Landgericht Braunschweig stehen. Außerdem hat die Deutsche Umwelthilfe Verfahren gegen Mercedes-Benz und BMW auf den Weg gebracht, alle mit dem Ziel, ein schnelles Ende von Diesel- und Benzinmotoren zu erreichen. In Detmold beginnt am Freitag die erste mündliche Verhandlung. Allhoff-Cramer gibt sich gegenüber der F.A.Z. siegessicher: „Ich bin zuversichtlich, dass die Richter unseren Argumenten folgen, schließlich geht es um die Zukunft des Planeten.“
Überschaubare Folgen
Die Klagen sind Teil eines neuen juristischen Kapitels im Kampf gegen den Klimawandel. Erst wurden und werden politisch Verantwortliche ins Visier genommen: Regierungen und Gesetzgeber, die nach Ansicht von Klimaschützern nicht schnell genug auf die Erderwärmung reagieren. Bisheriger Höhepunkt war der als historisch gefeierte Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts. Seine unmittelbaren Folgen sind zwar überschaubar. So wurde die Politik verpflichtet, das Klimaschutzgesetz nachzubessern. Gleichzeitig machten die Karlsruher Richter aber deutlich, dass künftige Generationen den Folgen der Erderwärmung nicht schutzlos ausgeliefert werden dürften. Mit Anerkennung eines verfassungsrechtlich relevanten „Restbudgets“ an Treibhausgasemissionen gab das Gericht Klimaschützern ein neues Instrument an die Hand. Wie wirksam es ist, wird man sehen, wenn nun Unternehmen mithilfe der Gerichte gezwungen werden sollen, mehr Verantwortung zu übernehmen.
International hatte zuletzt ein Urteil gegen Shell für Aufsehen gesorgt. Der Ölkonzern wurde von einem Bezirksgericht in Den Haag verurteilt, seinen CO2-Ausstoß zu senken. In Detmold wollen Allhoff-Cramer und Greenpeace nun erreichen, dass VW spätestens im Jahr 2030 keine Verbrenner mehr verkauft. Rückenwind sehen sie durch einen Prozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm. Dort ist die Klage eines peruanischen Bergbauern gegen RWE anhängig. Er verlangt Schadenersatz dafür, dass sein Gehöft in den Anden von einer Gletscherschmelze bedroht wird, für die Emissionen des Essener Energiekonzerns mitursächlich seien. Das OLG hat angedeutet, die Klage sei schlüssig, und hat einen Ortstermin zur Beweisaufnahme in dem peruanischen Dorf in Aussicht gestellt.
Angesichts dieses Zwischenerfolgs für die Klimaschützer dürfte es kein Zufall sein, dass im Prozess gegen VW ein Kläger auftritt, für dessen Verfahren das Landgericht Detmold örtlich zuständig ist. Denn in nächster Instanz wäre wieder das OLG Hamm gefragt. Allhoff-Cramers „Bergwiesenhof“ liegt im Detmolder Umland, wo er 70 Rinder hält und auf seinen Flächen unter anderem Getreide und Gräser für die Fütterung anbaut. Unabhängig von den prozesstaktischen Gründen, die seine Partnerschaft für Greenpeace hat, ist Allhoff-Cramer ein überzeugter Umweltschützer, der zu schnellem Handeln mahnt. „Wir sind jetzt an einem Punkt der Klimakrise angekommen, an dem uns die Zeit davonläuft und die Erderwärmung irreversibel werden kann“, sagt der Biobauer.
Treibende Kraft im RWE-Verfahren und nun auch im Prozess gegen VW ist Roda Verheyen. Die Hamburgerin gehört zu den erfahrensten und erfolgreichsten Rechtsanwälten, die auf Klimaklagen spezialisiert sind. Der Karlsruher Klimabeschluss ist ihr größter Trumpf – den sie auch in der Klageschrift gegen VW ausspielt. Im sogenannten frühen ersten Termin, den das Landgericht Detmold für Freitag angesetzt hat, könnten sich erste Hinweise ergeben, für wie wegweisend die Kammer das Karlsruher Klimavotum hält. „Das Zivilrecht kann und muss uns helfen, zu verhindern, dass Konzerne unser aller Lebensgrundlagen zerstören und unseren Kindern und Enkeln das Recht auf eine sichere Zukunft nehmen“, forderte Verheyen vor Prozessbeginn.
VW hingegen sieht allein den Gesetzgeber in der Position, ein faktisches Verbrennerverbot zu beschließen. Zwar haben sich einzelne Marken des Wolfsburger Konzerns schon ein Ausstiegsdatum verordnet, etwa Audi. Die Marke will vom Jahr 2033 an nur noch E-Autos produzieren. VW als Ganzes tut sich damit aber schwer, auch weil der Konzern in Schwellenländern aktiv ist, die in der Elektromobilität weit zurückliegen. Bis 2050 wollen die Wolfsburger CO2-neutral sein und vorher Etappenziele erreichen, vor allem über E-Modelle. Alles steht aber unter dem Vorbehalt politischer Rahmenbedingungen. So verhandelt die EU derzeit über ein Aus für Verbrenner vom Jahr 2035 an. Sollte es so kommen, zwänge das die Branche zu deutlich mehr Tempo.
Das Landgericht Detmold steht nun vor der Pionieraufgabe, zu entscheiden, ob das deutsche Zivilrecht tatsächlich den Anspruch „auf Unterlassung und Beseitigung übermäßiger CO2-Emissionen durch Geschäftstätigkeiten“ gewährt. Es stellen sich grundsätzliche Fragen, die auch für die übrigen Klimaschutzklagen wichtig sind. Haben Konzerne die Pflicht, ihren Ausstoß zu reduzieren? Und wenn ja, woraus ergibt sich dies, wenn gesetzliche Emissionsgrenzen eingehalten werden? Lässt sich dem Zivilrecht eine Sorgfaltspflicht zur Treibhausgasreduktion entnehmen? Und wer kann überhaupt vor Gericht ziehen, um die deutsche Wirtschaft zu einem Umbau zu zwingen? Praktisch jedermann, wenn es nach Greenpeace und Co geht. Der Schlüssel dafür wäre das „Recht auf Erhalt treibhausgasbezogener Freiheit“ als zwingende Konsequenz des Karlsruher Klimabeschlusses, so Verheyen. Ob die Detmolder Richter das auch so sehen, ist jedoch keineswegs ausgemacht.