Kreuzberger Chaos-Jahre
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Die Geburt eines Mythos: Hausbesetzer in Kreuzberg, 1981. Bild: Tim Ordelman
Von Hausbesetzern zu Hausbesitzern: Der Berliner Szenebezirk zeigt, wie nach 1968 ausgerechnet der Geist der Revolte den Konsumkapitalismus befeuerte.
Der Familienvater aus dem Norddeutschen erfasst die Lage eher geschäftsmäßig. „Der Laden scheint ja gut zu laufen“, sagt er zu seiner Frau, die auf dem Stadtplan schon die nächsten Sehenswürdigkeiten sucht, während die drei Kinder ihre Bluna nuckeln. Die fünf haben eine Viertelstunde damit verbracht, auf eine Nummer für ihren Burger zu warten, gemeinsam mit Niederländern, Iren, Italienern, Schwaben. Jetzt warten sie auf den Fleischklops selbst, von dessen Fertigstellung gleich eine rote Zahl auf der Anzeigetafel künden wird.
„Burgermeister“ heißt der Imbiss unter dem Hochbahnhof Schlesisches Tor, der bei Touristen längst als einer der berlinerischsten Orte Berlins gilt. „Es ist grün, reich verziert, ein Jahrhundert alt“, schreibt der Reiseführer „Lonely Planet“ über das Häuschen, „und – die Krönung zum Schluss – war früher mal eine Toilette.“ Ein „Café Achteck“, wie die Berliner ihre Pissoirs einst nannten, nur dass dieses hier rechteckig ist. Obendrüber rattert die Bahn, während sich ringsumher Autos, Hipster und antiquarische Stahlrahmen-Fahrräder ineinander verknäueln.
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