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Entwurf zum Wahlprogramm : Die Grünen fordern radikalen Kurswechsel

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Die Bundesvorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck am 15. März. Bild: dpa

Die Grünen-Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck haben ihren Entwurf für das Bundestagswahlprogramm vorgestellt. Die Vorschläge brechen mit etlichen Pfeilern der großen Koalition und bergen Konfliktstoff.

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          Bye-bye Schuldenbremse und Hartz IV, Willkommen Vermögensteuer: Die Grünen ziehen mit Vorschlägen für einen radikalen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik in den Bundestagswahlkampf. Der Entwurf für das Wahlprogramm, den die Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck am Freitag in Berlin vorstellten, bricht mit etlichen Pfeilern der Politik der großen Koalition. Das bedeutet aber auch: Im Fall einer Koalition aus CDU/CSU und Grünen bergen die Verhandlungen über ein gemeinsames Regierungsprogramm Konfliktstoff.

          Julia Löhr
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

          50 Milliarden Euro jährlich wollen die Grünen im laufenden Jahrzehnt zusätzlich in die „sozial-ökologische Transformation“ von Wirtschaft und Gesellschaft investieren – finanziert durch Kredite. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll dazu abgeschafft werden, wobei die Grünen das wie viele andere heikle Punkte in dem Programmentwurf harmloser formulieren: „Zeitgemäß gestalten“ wollen sie die Schuldenbremse. Angesichts der (noch) niedrigen Zinsen für Kredite halten die Grünen es für vertretbar, die Ausgaben von Bund und Ländern nicht nur aus den laufenden Einnahmen zu begleichen, sondern dafür auch neue Schulden aufzunehmen. „So schaffen wir öffentliches Vermögen, das uns allen gehört“, heißt in dem Entwurf.

          Vermögensteuer oberhalb von 2 Millionen Euro

          Dafür, dass nicht nur mehr Geld ausgegeben wird, sondern auch neues hereinkommt, soll eine Vermögensteuer sorgen – ein weiterer Punkt, in dem sich die Grünen mit der SPD einig sind, nicht aber mit der Union. Besteuert werden sollen demnach Vermögen oberhalb von 2 Millionen Euro je Person mit einem Steuersatz von jährlich 1 Prozent. Für Betriebsvermögen soll es im „verfassungsrechtlich erlaubten und wirtschaftlich gebotenen Umfang“ Erleichterungen geben. Auch an den allgemeinen Steuersätzen wollen die Grünen drehen. Ab einem Einkommen von 100.000 Euro für Alleinstehende und 200.000 Euro für Paare soll der Steuersatz 45 Prozent betragen, ab 250.000 beziehungsweise 500.000 Euro 48 Prozent. Unternehmen sollen Managergehälter von mehr als 500.000 Euro nicht mehr als Betriebsausgabe geltend machen können. Eine Position deckt sich zumindest mit jener der Union: Um Unternehmen in der Corona-Krise zu unterstützen, sollen der steuerliche Verlustrücktrag ausgedehnt und begrenzte Abschreibungsbedingungen eingeführt werden.

          Großzügiger zeigen sich die Grünen bei den Sozialausgaben: Hartz IV soll durch eine „Garantiesicherung“ ersetzt werden. „Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle Existenzminimum“, heißt es dazu. Praktisch würde dies bedeuten, dass die Jobcenter keine Leistungen mehr kürzen könnten, wenn Arbeitslose Stellenangebote ablehnen. Zur Höhe der Garantiesicherung findet sich in dem 136 Seiten umfassenden Entwurf noch keine Angabe. In früheren Papieren zu dem Thema hatten die Grünen vorgeschlagen, die Regelsätze für die Grundsicherung von 432 Euro für einen Erwachsenen auf 603 Euro zu erhöhen.

          CO2-Emissionen sollen noch stärker sinken

          Beim Thema Klimaschutz wollen die Grünen, dass Deutschland deutlich ambitionierter wird. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen statt um die bislang angepeilten 55 Prozent um 70 Prozent sinken. Eine „CO2-Bremse“ soll sicherstellen, dass alle Gesetze mit den nationalen Klimaschutzzielen übereinstimmen. Der CO2-Preis soll schneller steigen, von aktuell 25 Euro je Tonne auf 60 Euro im Jahr 2023. Die zusätzlichen Einnahmen sollen „fair aufgeteilt pro Kopf“ in Gestalt eines Energiegelds an die Menschen zurückfließen.

          Von 2030 an sollen nach dem Willen der Grünen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Das emotional besetzte Thema Tempolimit streifen die Grünen in ihrem Programmentwurf nur kurz – und nennen es vorsichtshalber lieber ein „Sicherheitstempo von 130 Stundenkilometern“, das künftig auf Autobahnen gelten soll. Auch die Forderung nach einem Verbot von Inlandsflügen findet sich in dem Entwurf nicht. Stattdessen heißt es dazu, dass Kurzstreckenflüge bis 2030 überflüssig werden sollen, indem der Bahnverkehr deutlich ausgebaut wird.

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