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F.A.Z.-Exklusiv : Volkswagen will neuen China-Chef benennen

Hat nicht nur Freunde in Wolfsburg: Herbert Diess Bild: dpa

Nach langem Streit um Konzernchef Diess gewinnt die Lösung an Kontur. Er darf wohl bleiben, gibt aber Verantwortung ab. Es geht um einen der wichtigsten Märkte.

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          Der Machtkampf im Volkswagen-Konzern hat in den vergangenen  Tagen hohe Wellen geschlagen. Aber jetzt sieht es so aus, als wenn sich der Betriebsrat, das an VW beteiligte Land Niedersachsen und die Aktionärsfamilien Porsche und Piëch abermals zusammenraufen. Vorstandschef Herbert Diess, hieß es am Dienstag unisono von Beteiligten, werde wohl an der Konzernspitze bleiben können, nachdem seine Zukunft wegen eines Konflikts mit der Arbeitnehmerseite über Wochen ungewiss war. Auch andere Themen, darunter weitere Vorstandspersonalien und Fragen zur Belegung deutscher Werke, sind so weit vorbereitet, dass der Aufsichtsrat auf seiner Planungsrunde für die Investitionen der nächsten Jahre am Donnerstag über ein Gesamtpaket abstimmen kann. Dazu soll auch eine Regelung gehören, wer in Zukunft das Chinageschäft verantwortet.

          Christian Müßgens
          Wirtschaftskorrespondent in Hamburg.

          Das Land ist für VW extrem wichtig, aber seit einigen Monaten kämpft der Konzern dort mit Schwierigkeiten. Die Chipkrise und andere Einschläge haben dafür gesorgt, dass der Absatz aller in China aktiven Konzernmarken bis Ende Oktober um mehr als 8 Prozent auf 2,8 Millionen Fahrzeuge gefallen ist. Für besonders viel Aufsehen hatte gesorgt, dass auch der Verkauf neuer Elektromodelle schwächer anlief als zunächst erhofft und im laufenden Jahr die ursprünglichen Verkaufsziele der Kernmarke VW verfehlt werden. Diese Schwierigkeiten lastet der Betriebsrat Konzernchef Diess persönlich an, der im Vorstand für die Steuerung des Chinageschäfts zuständig ist. Nun will VW die Verantwortlichkeit neu ordnen, wobei dem bisherigen Chef der Kernmarke, Ralf Brandstätter, eine entscheidende Rolle zukommt.

          Schon seit Wochen wird darüber spekuliert, dass der 53 Jahre alte Manager im Zuge der Planungsrunde in den Konzernvorstand aufsteigt. Tatsächlich soll dies nach Informationen der F.A.Z.  beschlossen werden. Das dürfte aber nur der erste Schritt sein. Im Sommer, so heißt es in informierten Kreisen, soll Brandstätter die Führung des Chinageschäfts von Konzernchef Diess übernehmen. Die Führung der Marke VW wird er dann an einen Nachfolger abgeben. Wenn es so kommt, wird das Chinageschäft im VW-Konzern in der neuen Konstellation wieder mit einem eigenen Vorstandsressort bearbeitet.  Zuletzt gab es einen solchen Posten von 2012 bis 2019. Als der damals verantwortliche Manager Jochem Heizmann in den Ruhestand ging, übernahm Diess die Verantwortung zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben als Vorstandsvorsitzender persönlich.

          Brandstätter folgt Wöllenstein im Chinageschäft

          Der bisherige Statthalter von VW in China, Stephan Wöllenstein, der kein Mitglied des Konzernvorstands ist, soll nach Informationen der F.A.Z. zurückkehren. Er wird möglicherweise neue Aufgaben im Konzern übernehmen. Ein Nachfolger soll den Plänen zufolge nicht benannt werden, da die bisherige Aufgabe Wöllensteins im Zuschnitt des Ressorts von Brandstätter aufgehen wird. Dieser soll wie Wöllenstein seine Aufgabe direkt von China aus erfüllen, was als notwendig gilt, um die Schwierigkeiten in dem Land mit einer ranghohen Besetzung direkt vor Ort anzugehen. Ein Sprecher des Aufsichtsrats wollte sich zu den Plänen am Dienstag nicht äußern.

          Für den VW-Markenchef ist die neue Aufgabe ein Vertrauensbeweis. Der Betriebsrat, der im VW-Konzern so viel Einfluss hat wie in keinem anderen Unternehmen, fördert ihn schon länger nach Kräften. Auch die Kapitalseite im Aufsichtsrat, zu der neben den Familien das Land Niedersachsen und der an VW beteiligte Staatsfonds Qatars gehören, traut ihm offenbar größere Aufgaben zu. Diess verliert hingegen weiter an Einfluss im Unternehmen. Schon vergangenes Jahr hatte er einen Zuständigkeitsbereich an Brandstätter abgegeben, und zwar die Führung der Marke VW. Auch damals war ein heftiger Streit vorangegangen, nachdem Diess dem Aufsichtsratspräsidium im Zusammenhang mit Berichten aus internen Beratungen „Straftaten“ vorgeworfen hatte. Diesmal kam es zum Konflikt, weil er mit Szenarien über einen Abbau von bis zu 30.000 Arbeitsplätzen den Betriebsrat und Niedersachsen brüskiert hatte. Wie schon im vergangenen Jahr kann er sich wohl an der Spitze halten, muss aber eine Beschneidung seiner Aufgaben hinnehmen.

          Auch andere Vorstandspersonalien soll der Aufsichtsrat am Donnerstag beschließen. So soll wie berichtet der bisherige Chefjustiziar, Manfred Döss, auf Hiltrud Werner folgen, bislang Vorständin für Integrität und Recht. Hauke Stars, zuletzt im Vorstand der Deutschen Börse, dürfte zur neuen IT-Chefin berufen werden. Auch für die Belegung wichtiger deutscher Werke zeichnete  sich zuletzt eine Einigung ab. Das Nutzfahrzeugwerk Hannover, dem wegen geänderter Pläne für den Bau eines sportlichen Geländewagens der Konzernmarke Porsche eine Unterauslastung drohte, kann offenbar mit anderen Modellen beschäftigt werden. Das derzeit schwach ausgelastete Stammwerk Wolfsburg wird voraussichtlich eine Endmontage des Kompaktwagens ID.3 bekommen, und zwar noch vor dem Start des Zukunftsprojekts Trinity, das von 2026 an einen Teil der Arbeit am Standort sichern soll. Das war eine zen­trale Forderung des Betriebsrats. Wenn sich nicht auf den letzten Metern noch Schwierigkeiten ergeben, sind damit die wesentlichen Themen vor der Planungsrunde am Donnerstag gelöst.

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