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Vor Parteitag in Leipzig : CDU-Spitze legt Mindestlohn-Streit bei

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Angela Merkel hat sich durchgesetzt

Angela Merkel hat sich durchgesetzt Bild: REUTERS

Vor Beginn des CDU-Parteitages hat sich die Spitze der Partei auf einen Kompromiss geeinigt: Eine Tarifkommission soll differenziert nach Branchen oder Regionen über Lohnuntergrenzen entscheiden. Damit hat sich Angela Merkel gegen den Arbeitnehmerflügel durchgesetzt.

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          Kurz vor dem Parteitag in Leipzig hat sich die CDU-Spitze im Streit über einen allgemeinen Mindestlohn geeinigt. Auf dem an diesem Montag beginnenden Parteitag soll ein entsprechender Antrag zur Abstimmung vorgelegt werden, teilte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Sonntagabend in Leipzig mit. Demnach soll zum einen die Ausgestaltung einer Lohnuntergrenze einer Kommission überlassen werden, die auch branchenspezifische oder regionale Differenzierungen aushandeln kann. Zudem soll auf die zunächst geplante ausdrückliche Orientierung an den rund 7 Euro Stundenlohn der Zeitarbeit verzichtet werden. Stattdessen soll nach Gröhes Worten auf bestehende Mindestlöhne in rund zehn Branchen verwiesen werden.

          Heike Göbel
          Verantwortliche Redakteurin für Wirtschaftspolitik, zuständig für „Die Ordnung der Wirtschaft“.

          Damit folgt die Antragskommission weitgehend den Vorstellungen der CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel. An der Formulierung des Kompromisses waren nach Angaben aus Parteikreisen neben Gröhe auch der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, sowie Parteivize Ursula von der Leyen und Umweltminister Norbert Röttgen beteiligt. Arbeitsministerin von der Leyen und Röttgen hatten sich noch am Wochenende offen gegen Merkel gestellt und versucht, die Zeitarbeitsmindestlöhne – 7,89 Euro im Westen, 7,01 Euro im Osten – als allgemeine Lohnuntergrenze durchzusetzen. Röttgen, Chef der CDU in Nordrhein-Westfalen, sagte: „Wenn sich die CDU für eine allgemeine Lohnuntergrenze ausspricht, müssen wir eine Vorstellung von der Höhe haben.“ Andernfalls sei der Beschluss wertlos.

          Ein Versuch der FDP-Führung, die eigenen Reihen in Sachen Mindestlohn fester zu schließen und sich stärker von der CDU abzugrenzen, ist am Wochenende vorerst gescheitert. Der Dringlichkeitsantrag, den der Bundesvorstand auf dem Sonderparteitag der FDP in Frankfurt kurzfristig beschließen lassen wollte, wurde vertagt. In dem Antrag heißt es: „Die FDP lehnt die Einführung eines flächendeckenden, allgemeinen Mindestlohns ab.“ Der Antrag hätte zwar lediglich die bisherige Position der Liberalen bekräftigt. Doch wollte man damit vor dem CDU-Parteitag ein klares Zeichen setzen, dass in der FDP Stimmen für eine allgemeine Lohnuntergrenze keine Mehrheit haben.

          Zwar hieß es in der FDP, die Verschiebung des Antrags sei nur aus Zeitgründen erfolgt. Doch dürfte dies Befürwortern einer „weniger dogmatischen“ Haltung entgegenkommen. Dazu zählt der Sozialminister von Schleswig-Holstein, Heiner Garg. Er fordert, den untersten Tariflohn durch eine Kommission aus Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Wissenschaftlern zu bestimmen. Dafür plädierte auf dem FDP-Parteitag auch eine sächsische Gruppe „Liberale Arbeitnehmer“, die entsprechende Flugblätter verteilte. In Kiel hat die FDP im nächsten Jahr eine Landtagswahl zu bestehen. Die FDP-Spitze um Philipp Rösler und Fraktionschef Rainer Brüderle befürchtet, dass im Wahlkampf im Norden und angesichts der Bestrebungen in der CDU die liberale Position ins Rutschen geraten könnte.

          In Frankfurt warnte der FDP-Vorsitzende Rösler die Delegierten davor, die Positionen der Sozialen Marktwirtschaft zu verwischen. „Die FDP war immer stark, wenn sie ihre eigenen Positionen hatte.“ Für die Lohnfindung seien die Tarifparteien zuständig. „Da gibt es kein Vertun.“ Völlig ohne flächendeckenden Mindestlohn habe Deutschland die besten Arbeitslosenzahlen. Brüderle spottete Richtung CDU: „Jeder hat das Recht, sich so stark zu sozialdemokratisieren, wie er will.“ Die FDP mache da nicht mit. Damit derjenige, der arbeite, aber mehr habe, als derjenige, der nicht arbeite, bot Rösler an, das liberale Bürgergeld „schnellstmöglich umzusetzen“. „Wir können es auch Merkel-Geld nennen“, rief Rösler. Hinter dem Bürgergeld steht die Idee, geringe Löhne unbürokratisch anzuheben, indem das Finanzamt Berechnung und Auszahlung eines Zuschusses (Bürgergeld) übernimmt.

          Die Wirtschaft verfolgt die Mindestlohn-Debatte skeptisch. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt kritisierte, auch ein durch eine Kommission festgelegter Mindestlohn sei ein politischer Mindestlohn, der zu Lasten von Geringverdienern und Langzeitarbeitslosen gehe. Der Präsident des Verbands der Familienunternehmer, Lutz Goebel, sagte dieser Zeitung: „Wir sind mit Blick auf den Parteitag der CDU sehr besorgt“. Jeder allgemeine Mindestlohn sei ein politischer Lohn, vor jeder Wahl wetteiferten dann Parteien, wer den höchsten Mindestlohn zu bieten habe. „Im Grenzgebiet zur Tschechischen Republik sind die Verhältnisse ganz anders als etwa in Düsseldorf“, sagte Goebel. „Wir brauchen deshalb branchen- und regionalspezifische Löhne, die von den Tarifpartnern festgelegt werden.“ Wo das nicht funktioniere, solle der Staat aber nicht eingreifen.

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