Vor den Tarifverhandlungen : Arbeitgeber warnen vor zu hohen Lohnforderungen
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Gestärkt: IG Metall-Chef Berthold Huber kann auf steigende Mitgliederzahlen verweisen Bild: dpa
Rekordbeschäftigung und Euro-Krise werden zu hohen Lohnforderungen der Gewerkschaften führen. Deutschlands Arbeitgeber warnen bereits: Was über die Produktivität hinausgeht, vernichte Arbeitsplätze.
Im ersten Halbjahr stehen für gut zehn Millionen Beschäftigte in Deutschland Tarifverhandlungen auf dem Programm. Der Arbeitgeberverband BDA will die Hoffnung auf deftige Lohnzuwächse bei den Gewerkschaften aber trotz Rekordbeschäftigung dämpfen. „Alles, was über die
Produktivitätsentwicklung hinausgeht, vernichtet Arbeitsplätze“,
warnte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt in Berlin. Als
Leitlinie empfahl er die Orientierung an der aktuellen Wirtschaftslage verbunden mit möglichst viel Spielraum für die Unternehmen. „Differenzierung wird das Tarifgebot des Jahres sein“, sagte der BDA-Hauptgeschäftsführer Reinhard Göhner. Hundt forderte die Gewerkschaften auf, den eingeschlagenen Weg der Produktivitätsorientierung und betrieblichen Differenzierung fortzusetzen. Dies hat laut BDA 2012 zu Abschlüssen von im Schnitt plus 3,9 Prozent geführt.
Die deutschen Gewerkschaften werden in diesem Jahr hingegen wahrscheinlich einen substantiellen Lohnzuwachs einfordern. Zwar wollte IG Metall-Chef Berthold Huber in Frankfurt die Forderung für die anstehende Tarifrunde in Deutschlands größtem Industriezweig Metall und Elektro nicht beziffern. Die Diskussion habe gerade erst begonnen, der Vorstand werde der Tarifkommission am 4. März eine Empfehlung unterbreiten. Gleichzeitig verwies der Gewerkschaftschef aber auf Wirtschaftsexpertisen, wonach der private Konsum ein stärkerer Wachstumstreiber in Deutschland werden müsse. Um die Konsumausgaben schon 2013 anzuheizen, sei einerseits ein hohes Beschäftigungsniveau erforderlich, sagte Huber: „Sowie angemessene Entgelterhöhungen auf der anderen Seite.“ Dessen sei sich die IG Metall bewusst.
IG Metall gewinnt Mitglieder hinzu
Getragen von der Rekordbeschäftigung konnte die IG Metall im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge Mitglieder hinzugewinnen. Zum Jahresende hatte die größte Einzelgewerkschaft Europas gut 2,26 Millionen Mitglieder und damit fast 18.000 mehr als ein Jahr zuvor. Zum Vergleich: Verdi hatte Ende 2012 knapp 2,1 Millionen Mitglieder und damit 0,5 Prozent weniger als binnen Jahresfrist.
„Wir haben unser Ziel erreicht, mehr Kraft in der Fläche zu entwickeln, vor Ort in den Betrieben stärker zu werden. Mitgliederstärke macht uns durchsetzungsfähig“, sagte Huber. Vor allem bei jungen Menschen sei die Gewerkschaft 2012 erfolgreich gewesen. Die IG Metall hatte 2011 die Trendwende geschafft und erstmals seit 20 Jahren wieder einen Mitgliederzuwachs gefeiert. Für 2013 erwartet die Gewerkschaft stabile Mitgliederzahlen.
Im Jahr 2012 traten insgesamt 123.000 Menschen der IG Metall bei, 7,4 Prozent mehr als im Vorjahr, sagte der Zweite Vorsitzende der Gewerkschaft, Detlef Wetzel: „Damit haben wir in einem Jahr mehr Mitglieder gewonnen als FDP und Grüne zusammengerechnet im Bestand haben.“ Das habe sich auch positiv auf die Beitragseinnahmen ausgewirkt, die mit 481 Millionen Euro das bisherige Rekordergebnis von 2011 nochmals um 4,8 Prozent übertroffen hätten.
Gegen Niedriglohnsektor, für Mindestlohn
Mit dieser Stärke im Rücken will die IG Metall ihre Forderungen in den Bundestagswahlkampf einbringen. Insbesondere gehe es der Gewerkschaft um eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt, sagte Huber: „Fast jeder vierte Beschäftigte in Deutschland arbeitet im Nieriglohnsektor, das ist der größte Anteil in ganz Europa.“ Dem werde sich die IG Metall nicht widerstandslos fügen.
Huber forderte einen flächendeckenden Mindestlohn sowie die Möglichkeit der Kurzarbeit für Leiharbeiter. Außerdem müsse Menschen im Alter ein fairer, flexibler Ausstieg aus dem Arbeitsleben ermöglicht werden. Die Voraussetzungen dafür seien in Unternehmen nicht ansatzweise gegeben, sagte Huber. Die Politik dürfe die Bedingungen der modernen Arbeitswelt nicht weiter ignorieren: „Es ist nicht akzeptabel, auf der einen Seite das Renteneintrittsalter auf 67 anzuheben und auf der anderen Seite zu hoffen, dass der liebe Gott den Menschen die Kraft für zwei Jahre harte Arbeit zusätzlich verleihen wird.“