https://www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/buero-co/wettbewerb-um-mitarbeiter-wer-will-schon-nach-hannover-12193642.html

Wettbewerb um Mitarbeiter : Wer will schon nach Hannover?

  • -Aktualisiert am

Blümchen vor dem Rathaus genügen nicht mehr: Die Kommunen müssen mit Kitas, Kulturangeboten und Infrastruktur punkten. Bild: dapd

Sicher, angenehm und gut vernetzt: Nur wer Kinderbetreuung, Schulen und Carsharing bietet, zieht auch künftig noch begehrte Mitarbeiter an. Die Kommunen beginnen, sich einen Schönheitswettbewerb zu liefern.

          3 Min.

          Wer will schon nach Biberach, Bielefeld oder Böblingen? Kaum einen zieht es in die Provinz, der nicht in der Region aufgewachsen ist oder dort studiert hat. Über Hannover sagt auch mancher im Scherz, dass das Beste an der Stadt die Autobahnausfahrt sei. Hier fehlen im Restaurant die Köche, im Altenheim die Pfleger und im Kindergarten die Erzieher. Teilweise werden auch die Friseure knapp. Es sind eben nicht mehr nur die Ingenieure, nach denen Unternehmen ihre Fangnetze auswerfen. „Arbeitskräfte waren lange Zeit eine natürliche Ressource, und das dreht sich in vielen Regionen gerade gewaltig“, sagt Rasmus Beck, Prokurist der Hannoverimpuls GmbH, der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt und Region. „Es wird in ländlichen Regionen drastisch einbrechende Ausbildungsjahrgänge geben.“

          Jan Hauser
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Hannover spürt wie viele andere Kommunen das, was sich in weiten Teilen Deutschlands anbahnt: Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Menschen werden älter, der Anteil junger Menschen geht zurück - und die Fachkräfte fehlen. „Oft sind es Arbeitsplätze mit schlechtem Image“, sagt Wirtschaftsförderer Beck. „Da finden Sie dann keinen mehr.“ Ein Teufelskreis: Der Mangel lastet auf der Infrastruktur, die Attraktivität der Stadt leidet, so dass die Region wiederum weniger Fachkräfte anzieht.

          Kinderbetreuung, Sportangebote, Fahrradwege

          Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt schon: Qualifizierte Mitarbeiter werden nur für ein Unternehmen arbeiten wollen, wenn der Standort das Umfeld für ein sicheres, angenehmes und gut vernetztes Leben biete. „Deshalb müssen sich Städte und Gemeinden darauf einstellen, dass eine gute Betreuungsinfrastruktur für Kinder, gut ausgestattete Schulen, optimale Sport- und Freizeitangebote, ein zumindest gut erreichbares Kulturangebot und attraktive Innenstädte ein wichtiger Standortfaktor für die Unternehmen sind“, sagt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. Für ihn gehören dazu auch verkehrsmittelübergreifende Konzepte vom Fahrrad über den Bus bis zum Carsharing sowie bezahlbare Wohnungen in einem sozial gesicherten Umfeld und ausreichende Breitbandinternetzugänge. „Die Städte und Gemeinden, die hier besonders erfolgreich sind, werden die meisten Unternehmensansiedlungen haben und damit letztlich auch deutlich höhere Steuereinnahmen als weniger erfolgreiche Regionen.“

          Viele Kommunen müssen sich gehörig anstrengen, um nicht abgehängt zu werden. Für die Kinderbetreuung sollen sie von August an ohnehin jedem ein Jahr alten Kind einen Platz bieten. Der sich anbahnende Fachkräftemangel bietet damit ein gewaltiges Spaltungspotential - in die attraktiven Städte, die immer mehr Menschen und Betriebe anziehen, und die anderen Gemeinden, aus denen sich diese zurückziehen.

          Die Unternehmen ziehen der hippen Generation hinterher

          Hannover braucht zwar in Niedersachsen fast keine Konkurrenz zu fürchten, aber muss mit den größten Städten Deutschlands mithalten. „Für uns wird das kein Selbstläufer sein, sondern eine große Herausforderung“, sagt Städtevermarkter Beck. Bremen, Hamburg und Berlin heißen die nahen Wettbewerber im Kampf um Hochqualifizierte. „In Städte, die die hippe, junge Generation durch Lebensqualität anzieht, werden auch die Unternehmen ziehen, weil sie dort geeignete Fachkräfte finden.“ Bis 2020 werde viel passieren. „Für wissensorientierte Unternehmen wird es eine echte Zukunftsfrage an ihrem bisherigen Standort sein, ob sie zu einem erträglichen Lohn Arbeitskräfte erhalten.“ Zuwanderung sei daher wichtig, aber auch ein langfristiger Prozess. Becks Botschaft an die deutschen Großstädte von mittlerer Attraktivität lautete deshalb: „Haltet die Menschen, die ihr habt.“ Die Hochschulen und die Unternehmen in der Region müssen mehr zusammenarbeiten. Die Betriebe sollten früh Kontakte zu Studenten aufbauen, durch Praktika und Bachelorarbeiten. Damit diese nicht die Region verlassen. Städte müssten aufpassen, dass sie nicht Bildungsexporteur werden.

          Zu selten finden sich dagegen Hochschulen in den Landkreisen, sagt Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag. „Viele Landkreise sind erfindungsreich und unterstützen zum Beispiel die Gründung von Berufsakademien oder versuchen, Zweigstellen von Hochschulen in ihr Gebiet zu bekommen.“ Auch gebe es Initiativen, um Absolventen nach einem Studium zu einer Rückkehr zu bewegen.

          In Hannover finanziert die Wirtschaftsförderung gerade 50 Unternehmen eine Überprüfung durch einen freiberuflichen Personalfachmann. „Viele kleinere Unternehmen denken, dass sie sich ihre Mitarbeiter aussuchen können“, sagt Beck. „Doch wir haben es mit einer Zielgruppe zu tun, die sich sagen wird: Wenn ich mich in einem Zukunftsberuf ausbilden lasse, könnte ich auch in andere Regionen gehen.“ Und wenn junge Menschen wegziehen, gehen sie der Region verloren.

          Wenn sich aber nun nicht genügend Menschen finden, die in den Bereichen qualifiziert sind, in denen die Unternehmen sie brauchen? Dann muss sich die Kommune darauf einstellen und einen Ausweg bieten. „Meine Aufgabe als Wirtschaftsförderer könnte es auch sein, dass die Unternehmen durch Rationalisierung und Technologisierung wettbewerbsfähig bleiben, wenn es das Personal sonst nicht gibt“, sagt der Hannoveraner Stadtförderer Beck. „Mein Ziel ist es nicht nur, Menschen in Beschäftigung zu bringen, sondern auch, das Unternehmen in der Region zu halten.“ Wenn sich keine Menschen finden, werden die Maschinen eben mehr machen müssen.

          Weitere Themen

          Topmeldungen

          Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) beim Stockacher Narrengericht im Februar

          Wolfgang Kubicki : Der FDP-Mann für die Attacken

          Wolfgang Kubicki ist für die FDP wichtiger denn je. Wo andere in der Regierung Kompromisse machen müssen, macht er Krawall. Aber nicht nur.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.