Volkskongress : Wie will China so sein Klimaversprechen halten?
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Schon im vierten Quartal 2020 hat Chinas Bruttoinlandsprodukt wieder um 6,5 Prozent zugelegt, ein Wert wie vor der Pandemie. Bild: Reuters
Entgegen den Erwartungen setzt Peking doch ein festes Wachstumsziel von 6 Prozent. Von einem anderen großen Versprechen ist hingegen keine Rede mehr.
Wenn in den vergangenen Jahren in Peking die jährliche Sitzung des Volkskongresses stattfand, war der Himmel zuweilen blau wie auf Bestellung. Dann hatte die Regierung Wochen zuvor viele Kraftwerke in Stadt und Nachbarprovinzen abschalten lassen, deren Schadstoffausstoß zusammen mit den Kohleöfen in den Wohnhäusern im Winter die Luft verschmutzen.

Wirtschaftskorrespondent für China mit Sitz in Schanghai.
Als hingegen am Freitagmorgen Chinas Scheinparlament zu tagen begann, in dem knapp 3000 von der Kommunistischen Partei handverlesene Abgeordnete aus allen Teilen des Landes im Rekordtempo von zwei Wochen Gesetze abnicken, meldeten die Messstationen dicken Smog. Als um 9 Uhr Ministerpräsident Li Keqiang begann, wie üblich zu Sitzungsbeginn nach dem Abspielen der Nationalhymne den Rechenschaftsbericht der Regierung vorzulesen, lag der Wert des besonders gesundheitsgefährdenden Feinstaubs von der Partikelgröße PM 2,5 in der Luft bei 185. Nachdem er eine Stunde gesprochen hatte, stieg er auf knapp 200 – dem Zehnfachen des Grenzwerts in der Europäischen Union.
Hatte die Führung etwa bei ihrem wichtigsten politischen Treffen des Jahres die Kraftwerke weiter laufen lassen, um die Erholung der Wirtschaft vom Stillstand während der Pandemie im vergangenen Frühjahr nicht zu gefährden? Das würde zu Lis Rede passen, die nach dem Eigenlob, was die Regierung alles erreicht habe, auch Ziele für die Zukunft vorgibt.
Fabriken unter Volldampf
Zum Beispiel für das Wachstum. „Mehr als 6 Prozent“ soll die zweitgrößte Wirtschaft der Welt in diesem Jahr an Größe zulegen. Der Wert an sich ist keine Sensation, sondern eher Tiefstapelei. Nachdem es schon seit Mitte des vergangenen Jahres in dem Land, in das Ausländer bis heute nur in absoluten Ausnahmefällen einreisen dürfen, nahezu unmöglich geworden ist, sich mit dem Coronavirus anzustecken, laufen die Fabriken längst wieder unter Volldampf.
Schon im vierten Quartal 2020 hat Chinas Bruttoinlandsprodukt wieder um 6,5 Prozent zugelegt, ein Wert wie vor der Pandemie. Für das laufende Jahr hat der Internationale Währungsfonds gar ein Wachstum von 8,1 Prozent vorausgesagt.
Doch dass Li Keqiang überhaupt ein Wachstumsziel genannt hat, überrascht – und lässt Klimaschützer Böses ahnen. Viele Beobachter hatten im Vorfeld damit gerechnet, dass die Regierung wie im vergangenen Jahr keine feste Vorgabe macht, wie stark die Wirtschaft an Größe zulegen soll. Schließlich sind viele Staatsunternehmen und Lokalregierungen durch den wachstumsfördernden Bau von massenhaft Autobahnen, Brücken und Kohlekraftwerken schon hoch verschuldet. Die Sorge, dass die hohen Schulden das Land einmal erdrücken könnten, nahm Li in seiner Rede auf und kündigte an, die Staatsverschuldung von 3,6 Prozent aus dem Jahr 2020 auf 3,2 Prozent im laufenden Jahr zu senken.
Smog in Peking
Nichtdestotrotz ist das Wachstumsziel von 6 Prozent ein Signal, das jeder Staatsbeamte, jeder Parteisekretär und jeder Angestellte eines Staatskonzerns bis in den letzten Winkel des riesigen Landes versteht: Die Wirtschaft soll brummen. In dem Jahr, in dem sie 100 Jahre alt wird, will die Kommunistische Partei kein Risiko eingehen und riskieren, dass etwa durch eine neue Viruswelle doch sehr viel mehr Menschen im Land arbeitslos werden, als es die offizielle Arbeitslosenrate von 5,2 Prozent (in den Städten) vermuten lässt.
Wie der Smog in Peking zeigt, ist das schnelle Wachstum Gift für das Klima. Was Klimaschützer darüber hinaus regelrecht entsetzt, ist die Zahl, die Li Keqiang in seinem Bericht im Gegensatz zum Wachstumsziel nicht genannt hat: Das Versprechen von Staatspräsident Xi Jinping gegenüber der Welt, sein Land werde bis spätestens 2060 kohlenstoffneutral.