Versicherer : Schlechte Nachrichten zwingen zum Umdenken
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Die Exzesse der Versicherer machten sie zum Ziel von Spott Bild: Greser&Lenz
Die Versicherungsbranche wollte in diesem Jahr transparenter werden. Dann erschütterten sie Vertriebsexzesse. Und die Schuldenkrise zieht sie in den Sog instabiler Märkte.
Eigentlich sollte 2011 ein Jahr der Transparenz werden. Den leichten Schock einer Garantiezinssenkung durch das Bundesfinanzministerium hatten die Lebensversicherer locker verdaut, als die Allianz am 19. Januar Pressevertreter in ihre Hauptstadtdependance einlud. Man werde den Kunden künftig klarer offenlegen, welche Folgen Abschluss- und Verwaltungskosten für die Rendite von Lebenspolicen haben, kündigte das Stuttgarter Unternehmen an. Indem die sogenannte Reduction in Yield angegeben wüScrde, könnten die Verbraucher erkennen, was sie der Kauf der Police kostet, argumentierte der Vorstandsvorsitzende Maximilian Zimmerer. Vertreter des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) saßen mit im Raum und nickten zustimmend über den Vorstoß des Branchenführers, der mit seinen Anregungen immer wieder großen Einfluss auf seine Wettbewerber ausübt.
Die Einschläge kommen näher

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.
Auch an einer anderen Baustelle zeichnete sich ein Ende der Bautätigkeit ab. Das Projekt „Volatium“ des Analysehauses Morgen & Morgen zeigte gute Fortschritte. Bald würden die Vermittler bessere Methoden an die Hand bekommen, um die Produkte nach Chancen und Risiken zu vergleichen.
Das waren Anfang des Jahres wichtige Themen einer Branche, die zwar unter der Kaufzurückhaltung ihrer Kunden und niedrigen Zinsen litt, aber immerhin durch einen Boom der Einmalbeiträge in der Lebensversicherung unerwartet gut durch die turbulenten Zeiten der Finanzkrise gekommen war. Seither aber haben sich die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich verschlechtert. Transparenz-Themen sind in den Hintergrund gerückt, es geht wieder um Grundsätzlicheres. Die Führung des Allianz-Mutterkonzerns in München verwendet einen großen Teil ihrer Zeit darauf, in direkten Gesprächen mit der Politik für ihr Modell einer Anleiheversicherung zu werben. Weil die Finanz- zur Staatsschuldenkrise geworden ist, kommen die Einschläge näher. Die Branche kämpft darum, weiterhin sichere Geldanlagen auf dem verunsicherten Kapitalmarkt vorfinden zu können.
Alles in den Schatten gestellt hat aber die Affäre um die Ergo-Versicherung. Die bekannt gewordene Lustreise von Vertretern des konzerneigenen Strukturvertriebs HMI nach Budapest beherrscht bis heute die brancheninterne Diskussion. Dass durch Medienberichte parallel der Fokus auf falsch berechnete Riesterverträge gelenkt wurde, werten die meisten Branchenvertreter als unangenehmen Fehler, den jeder in der Branche unabsichtlich begehen könnte. Die Budapest-Reise aber hat ein Schlaglicht auf den Versicherungsvertrieb geworfen - und zwar in Kombination mit Vorwürfen gegen Vertriebsmitarbeiter der Ergo, sie hätten wertvolle Lebensversicherungsverträge systematisch in weniger nützliche Unfallversicherungen umgedeckt. Das trifft die gesamte Branche, weil diese Vorwürfe auch gegen andere Unternehmen erhoben werden. Und selbst ganz saubere Anbieter müssen sich der Diskussion stellen, weil das Ansehen darunter leidet.
Die Branche müsse nachdenklich werden
Der Begriff „Zäsur“ greift Verbandspräsident Rolf-Peter Hoenen zu weit. Nachdenklich aber müsse die Branche schon werden. Immer wieder wird sie mit dem Vorwurf konfrontiert, sie steuere bewusst ihr Geschäft so, dass das Kundeninteresse in den Hintergrund rücke. „Nicht alles, was zu Geschäft führt, ist auch wünschenswert“, stellt Hoenen klar. „Die Fehlberatungen machen mich betroffen. Wir müssen sicherstellen, dass sie kein System sind. Da muss aktiv gegengesteuert werden.“