https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/verkehrswende-deutschland-braucht-ein-kluges-mautsystem-17768311.html

Verkehrswende : Die positiven Effekte der Maut werden stets unterschätzt

  • -Aktualisiert am

Könnte die Verkehrswende durch ein Mautsystem doch noch Wirklichkeit werden? Bild: dpa

Ohne Mut zu innovativen Konzepten kann die Verkehrswende nicht gelingen, sondern verpufft wie so manche Verkehrspolitik. Ein Gastbeitrag.

          4 Min.

          Erste Akzente für die Verkehrspolitik dieser Wahlperiode setzt nun auch Volker Wissing (FDP), der Bundesminister für Digitales und Verkehr: Volle Kraft auf die Elektromobilität bei Personenwagen sowie ein klares Nein zum Thema Mautsysteme. Sicher, der Umstieg auf die Elektromobilität braucht politische Unterstützung. Doch der Standpunkt zu Mautsystemen scheint eher kurzsichtig und sollte im Kern gut überlegt sein.

          Wissings Argument: „Mobilität muss ein bezahlbares Angebot für alle bleiben.“ Das mag politisch Punkte bringen. Deswegen ist das Argument gegen ein Mautsystem aber noch lange nicht richtig. Viele, die sich mit den Klimaschutzzielen im Verkehrsbereich gründlich auseinandersetzen, sind sich darüber einig: Der alleinige Umstieg von einer Antriebstechnologie auf die andere wird nicht reichen. Es braucht ein neues Verständnis von Mobilität, neue Ideen und die Erprobung innovativer Konzepte. Je eher das möglich wird, desto weniger hart werden die Maßnahmen, die später auf die Verkehrsteilnehmer zukommen werden.

          Was fehlt, ist die Vorstellungskraft

          Die Straßenmaut ist dabei ein wichtiger Ansatz. Das Kernargument von Wissing lässt sich leicht entkräften: Ob eine Straßenmaut Mobilität für die Menschen kostspieliger macht oder nicht, hängt davon ab, was die Politik mit den Einnahmen macht. Entlastet sie, insbesondere die sozial schwachen, Autofahrerinnen und -fahrer in dem Maße, wie sie Einnahmen aus der Maut generiert, wird Mobilität nicht teurer. Die gesellschaftlichen Kosten der Mobilität werden lediglich gerechter auf diejenigen verteilt, die sie verursachen. So setzt die Maut Kräfte für eine Verkehrswende frei, ohne die Belastung der Verkehrsteilnehmer insgesamt zu erhöhen. Dennoch wird die Maut gerne vorschnell als neue Belastung wahrgenommen, während zugleich ihre positiven Effekte systematisch und erheblich unterschätzt werden.

          Die Erfahrung zeigt, dass Menschen Veränderungen zunächst übermäßig scheuen. Das liegt beispielsweise daran, dass ihnen die Vorstellungskraft fehlt, wie effektiv schon geringe Mautgebühren Staus, Luftverschmutzung, Lärm und Unfälle verringern und die Lebensqualität erhöhen können. In Stockholm und anderen Metropolen, in denen Mautsysteme eingeführt wurden, ist die anfängliche starke Ablehnung sehr schnell einer breiten Zustimmung in Bevölkerung und Politik gewichen. Auch bei der Einführung verkehrsberuhigter Einkaufsstraßen oder dem Rauchverbot in Gaststätten versagte zu Beginn die Vorstellungskraft. Heute findet beides gesellschaftliche Akzeptanz und Zustimmung.

          Gibt es eine Alternative zum Kollaps der Infrastruktur?

          Kluge Mautsysteme können die ersehnte Verkehrswende Wirklichkeit werden lassen. Das zeigt ein Beispiel aus Stockholm. In einer ersten Testphase reduzierte sich der motorisierte Individualverkehr (MIV) um 24 Prozent, und die CO2-Emissionen sanken um 14 Prozent. Zugleich verringerten sich auch Staus, Lärmbelastung und Luftverschmutzung spürbar. Und all dies bei wachsender Zustimmung. Kein Wunder: Es kämen ja auch nur wenige auf die Idee, Strompreise abzuschaffen, damit der Strom für alle bezahlbar bleibt. Die Folgen wären eine exzessive Nachfrage, enorme zusätzliche Umweltbelastungen, und außerdem wäre das System trotz horrender Kosten für eine massiv überbordende Infrastruktur regelmäßig überlastet, bis hin zum Kollaps. Es stellt sich die Frage, ob das nicht genau die Situation ist, die wir mangels kluger Preise fast täglich im Straßenverkehr beobachten.

          Weitere Themen

          Kein Bahnstreik in der kommenden Woche

          F.A.Z. exklusiv : Kein Bahnstreik in der kommenden Woche

          Aus Rücksicht auf den anstehenden Kirchentag in Nürnberg will die Eisenbahngewerkschaft EVG in der kommenden Woche keinen Streik ausrufen. Am Montag soll es Gespräche mit der Deutschen Bahn geben.

          Topmeldungen

          Der Angeklagte wird am Freitag in einen Gerichtssaal in Ulm geführt.

          Fall Illerkirchberg : Die beiden Mädchen waren Zufallsopfer

          In Ulm muss sich seit Freitag ein Eritreer vor Gericht verantworten, der im Dezember zwei Mädchen in Illerkirchberg mit einem Messer angegriffen hatte. Eine 14-Jährige starb. Der Mann hatte offenbar ein anderes Ziel.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.