Vatikan : Für die Kurie braucht der Papst noch Zeit
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Die Sixtinische Kapelle: Hier wird der Papst gewählt Bild: AP/dpa
Papst Franziskus lässt die Kirchenverwaltung vorerst im Amt. Er will noch über die Neubesetzung der Posten nachdenken. Da hat er einiges zu tun: Bisher regierte der Filz den Vatikan.
Die Kluft zwischen beiden könnte kaum größer sein: Auf der einen Seite Jorge Mario Bergoglio, der als Papst den Namen Franziskus gewählt hat. Schon bei der ersten Vorstellung vor den wartenden Gläubigen zeigte sich der neue Papst als Asket: Er verzichtete auf Gold und behielt demonstrativ das Metallkreuz, das schon bei der Bischofsweihe ein Symbol von Schlichtheit war. Der neue Papst trat nur im weißen Gewand, ohne die reich bestickte Stola, ohne roten Schulterüberwurf, auf den Balkon über dem Petersplatz. Danach ließ er den schwarzen Mercedes stehen und kehrte im Kleinbus mit anderen Kardinälen ins Quartier zurück.

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Auf der anderen Seite das machtbewusste Auftreten der italienischen Kurienkardinäle. Die tragen nicht nur Gold, Kardinalspurpur und elegante maßgeschneiderte Soutanen mit roten Paspeln, lassen sich chauffieren in Dienstlimousinen mit dem Kennzeichen „SCV“ (Stato della Citta del Vaticano), sondern verkörpern auch in ihrer Arbeitsweise den jahrhundertealten Anspruch, die Geschicke der katholischen Welt von Rom aus zu lenken.
Am Samstag jetzt hat Papst Franziskus bekannt gegeben, dass er sich mit der Neubesetzung der Kurie noch Zeit lassen will. Er wolle sich Zeit nehmen zum Überlegen, Beten und für Gespräche - und hat die wichtigsten Leute in der Kurie gebeten, ihre Ämter „provisorisch“ weiter wahrzunehmen. Ganz schnell geht die Entscheidung offenbar nicht.
Der Kurie eilt ein Ruf von Intrigen und Verschlagenheit voraus
Ebenso groß wie der Gegensatz zwischen Bescheidenheit des Papstes und Prunk der Kurie erscheint der Gegensatz zwischen der schlichten Geradlinigkeit, die der neue Papst an den Tag legt, und andererseits dem Ruf von Intrigen und Verschlagenheit, der der Kurie vorauseilt. Voll Sorge um diesen negativen Ruf hatte der Mailänder „Corriere della Sera“ zum Konklave ein böses amerikanisches Urteil zitiert: „the dagger and poison lobby“ - die Lobby mit dem Dolch und dem Gift. Denn dieses Bild wurde gezielt an den führenden italienischen Akteuren in der Kurie gespiegelt, und diese stehen nun da als die Hauptverantwortlichen für internen Streit, Skandale, Missmanagement und die Krise der Vatikanbank.
Kein Wunder, dass bei der Papstwahl die großen Erwartungen auf eine Rückkehr des Papstamtes in italienische Hände bitter enttäuscht wurden. Mit der Wahl des ersten amerikanischen Papstes sind nun die italienische Hegemonie über das Papstamt, vor allem der römische Stil der Kirchenverwaltung endgültig am Ende. Damit wird auch die in Italien vorherrschende Interpretation des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. in Frage gestellt. Der hatte schließlich gesagt, dass seine Kräfte nicht mehr ausreichten, „in angemessener Weise“ das Amt als Nachfolger des heiligen Petrus auszuüben. Auf den ersten Blick der Römer schien der Schuldige für viele Missstände ein schwacher Papst, zu sehr Philosoph und Theologe, der sich nicht genug um praktische Fragen gekümmert habe. Nun kehrt sich die Sichtweise um: Der Papst, gleichsam Chefideologe und Staatspräsident, hätte sich in seinem Amt nicht so verzehrt, wenn seine „Regierung“ mit dem Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone als „Ministerpräsidenten“ und den Kurienkardinälen als Ministern gut funktioniert hätte.
Weit entfernt vom römischen Sumpf
Damit ist nun noch mehr in Frage gestellt, wie bisher der Vatikan funktionierte - formell die Regentschaft eines absoluten Monarchen, hinter der aber ein Hofstaat mit Seilschaften und Klientelwesen (vorwiegend nach italienischem Stil) agiert. Symbol für die Missstände war zunächst der Skandal um die gestohlenen Dokumente des Papstes, „Vatileaks“, der bisher offenbar noch nicht bis in letzter Konsequenz aufgearbeitet werden konnte. Zuletzt wurde dann ausgerechnet die Vatikanbank zum Beispiel für angestauten Reformbedarf und die bisherige Unfähigkeit zu grundlegenden Veränderungen. Vatikansprecher Padre Federico Lombardi hat zwar noch vor wenigen Tagen bestritten, dass die Diskussion um die Vatikanbank entscheidend sein könnte für die Meinungsbildung der Kardinäle. Doch in den Diskussionen vor der Papstwahl gab es offenbar kritische Fragen und Unzufriedenheit über die Antworten.