„Kumulative Straffung“ : US-Notenbank hebt Leitzins zum vierten Mal in Folge an
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US-Notenbankchef Jerome Powell in Washington (27. Juli 2022) Bild: Reuters
Die US-Notenbank hat den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte erhöht. Fed-Chef Jerome Powell deutet an, im Dezember oder Januar einen kleineren Zinsschritt zu erwägen.
Die Federal Reserve erhöht zum vierten Mal in Folge die Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte und hievt sie damit in die Bandbreite zwischen 3,75 und 4 Prozent. Zugleich signalisierte die Notenbank in ihrer direkt nach der Sitzung veröffentlichten Mitteilung am Mittwoch, dass sie einen kleineren Zinsschritt im Dezember ins Auge fasst. Fed-Chef Jerome Powell allerdings dämpfte die Erwartungen in der anschließenden Pressekonferenz.
Einige Formulierungen in den sonst durch Wortgleichheit gekennzeichneten Pressemitteilungen der Fed sind neu und lassen zumindest die Deutung zu, dass die Notenbanker die Geldpolitik im kommenden Monat etwas weniger entschlossen straffen könnten. Die Geldpolitik soll eine „ausreichend restriktive“ Position erreichen, um die Inflation im Laufe der Zeit auf 2 Prozent herunter zu bringen. Dabei berücksichtigt würden die Wirkung der „kumulativen Straffung“ durch Geldpolitik und die Zeitspannen, die es braucht, bis Geldpolitik die reale Wirtschaft und die Inflation beeinflusse.
Powell stellte klar, dass die Notenbanker zwar erwägen werden, ob in der kommenden Sitzung im Dezember oder später im Januar ein kleinerer Leitzinssprung angemessen sei. Aber es sei keine Entscheidung gefallen. Das Tempo bei den Leitzinserhöhungen sei weniger wichtig als die Frage, wie hoch die Leitzinsen steigen müssen und wie lange die Geldpolitik restriktiv bleiben müsse. „Wir haben noch einen ziemlichen Weg vor uns“, sagte Powell. Neue Daten der letzten Wochen signalisierten ihm, dass die finalen Leitzinsen sogar höher sein würden als zuletzt erwartet. „Es wäre sehr voreilig, über eine Pause bei den Zinserhöhungen nachzudenken.“
Der Fed-Chef hob hervor, dass die Notenbank zwar nicht die Absicht habe, den Bogen zu überspannen. Aber zugleich sei das Risiko, die Geldpolitik zu früh zu lockern größer als das Risiko einer zu straffen Geldpolitik. Denn im ersten Fall könnten die Inflationserwartungen ins Rutschen kommen und die Bändigung der Teuerung deutlich erschweren. Im zweiten Fall einer zu strikten Geldpolitik verfüge die Fed über die nötigen Werkzeuge, um die Wirtschaft zu stimulieren.
Die Anmerkungen sind eine Reaktion des wachsenden Chors der Kritiker, die den Kurs der Fed als zu restriktiv ansehen. Einige Ökonomen verweisen auf die Finanzkonditionen, die sich deutlich verschlechtert haben und speziell auf den Häusermarkt. Tatsächlich sind die Zinsen für Hypothekendarlehen auf 7 Prozent gestiegen und haben einen Einbruch bei den Käufen bewirkt.
Kritik kommt auch von linken Demokraten, die Geldpolitik für ein uneffektives Mittel gegen Angebotsschocks wie im Energie- und Lebensmittelsektor und gegen die „Wucherpreise“ der Konzerne halten. Powell dagegen wies darauf hin, dass die Daten ein gemischtes Bild abgäben: Der Arbeitsmarkt sei immer noch stark, die Finanzreserven der Haushalte immer noch hoch.
Die Finanzmärkte gingen auf eine Berg- und Talfahrt. Der Euro stieg nach der Entscheidung zum Dollar an. Nachdem Powell jedoch klargemacht hatte, dass noch kein Ende der Zinserhöhungen in Aussicht sei, gab der Euro alle Gewinne wieder ab und fiel auf ein Tagestief. Auch die US-Aktienmärkte notierten zuletzt im Minus. Die Renditen von US-Staatsanleihen legten nach zeitweisen Verlusten zu.