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Urteil über Tagesschau-App : Sieg der Verlage

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Zu presseähnlich: Die „Tagesschau“-App

Zu presseähnlich: Die „Tagesschau“-App Bild: dpa

Überraschend klares Urteil aus Köln: Die Tagesschau-App ist presseähnlich - und das darf nicht sein. Die Richter machten diese Entscheidung an der App vom 15. Juni 2011 fest.

          3 Min.

          Schon vor diesem wegweisenden Tag war unter den Beteiligten klar, dass das Urteil des Landgerichts Köln wieder zu Gesprächen zwischen den Verlagen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten führen würde. Nun sprach das Landgericht Köln am Donnerstag ein klares Urteil gegen die „Tagesschau“-App, eine Anwendung für Smartphones und Tabletcomputer, gegen die acht Zeitungsverlage (darunter der Verlag dieser Zeitung) geklagt hatten. Die Kölner Instanz verbietet der ARD, die vor Gericht bemängelte „Tagesschau“-App vom 15. Juni 2011 weiter zu verbreiten. Es bewertet die App als presseähnlich; ihre Angebote seien „nicht hinreichend sendungsbezogen“. Damit verstoße sie gegen den Rundfunkstaatsvertrag. Die Verlage gehen nun mit Rückenwind in weitere Gespräche mit den öffentlich-rechtlichen Intendanten, die zuvor nach Verlagsansicht an diesen gescheitert waren.

          Jan Hauser
          Redakteur in der Wirtschaft, verantwortlich für Immobilien.

          „Wir freuen uns, dass das Kölner Landgericht die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgefordert hat, sich zukünftig an den Rundfunkstaatsvertrag zu halten“, sagte der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Helmut Heinen. Die ARD dürfe eine „Tagesschau“-App anbieten, aber eine öffentlich-rechtliche Zeitung im Internet dürfe es nicht geben. Er bekräftigte sein Gesprächsangebot vom Montag, nach dem die Verleger auch in Zukunft bereit seien, gemeinsam mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten und der Politik eine Lösung der Probleme zu finden. Auch die ARD-Vorsitzende und WDR- Intendantin Monika Piel sprach in den vergangenen Wochen davon, weiter gesprächsbereit zu sein. Am Donnerstag sagte Piel, das Urteil habe wie erwartet keine grundsätzliche Klärung in der Frage der Presseähnlichkeit gebracht, da es sich nur auf die App eines bestimmten Tages beziehe. Sie sehe sich in ihrer Einschätzung bestätigt, dass die Frage „im Grunde nur medienpolitisch und nicht juristisch zu lösen ist“. ARD und NDR prüfen eine Berufung.

          „ARD muss die Tagesschau-App abschalten!“

          Nach Ansicht des Zeitungsverlegerverbands BDZV sind die Ausführungen des Gerichts aber ausreichend dafür festzustellen, dass die ARD auch ihre heutigen digitalen Textangebote reduzieren muss. „Mit seinem Urteil hat das Landgericht Köln unsere Auffassung bestätigt, dass es sich bei der Tagesschau-App in ihrer jetzigen Form um ein nichtsendungsbezogenes presseähnliches Angebot handelt, das nach den Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrages unzulässig ist“, sagte WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus, der Vorsitzender des nordrhein-westfälischen Zeitungsverlegerverbandes ist. „Die ARD muss sich endlich an das geltende Recht halten und ihre rechtswidrigen presseähnlichen Tagesschau-App-Angebote so umgestalten, dass sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechen“, sagte er weiter. „Solange dies nicht geschieht, muss die ARD die Tagesschau-App abschalten!“

          Das Urteil des Gerichts bezieht sich nicht generell auf die „Tagesschau“-App, sondern nur auf eine an einem Junitag 2011 angebotene App. Ein Zivilgericht könne immer nur im Einzelfall entscheiden und keine allgemeinen medienpolitischen Aussagen treffen, sagte der Vorsitzende Richter Dieter Kehl. Die öffentliche Anwendung sei „als Ersatz für die Lektüre von Zeitungen und Zeitschriften geeignet – mit einer Informationsdichte, die an diejenige herkömmlicher Presseerzeugnisse heranreicht“. Daran änderten auch die Verknüpfungen mit Hörfunk- oder Fernsehbeiträgen nichts. Das Gericht verwies auch darauf, dass die App entgegen der Auffassung der Kläger das Genehmigungsverfahren nach dem Rundfunkstaatsvertrag durchlaufen habe. Aus diesem Grund erlegte die Kammer die Kosten des Rechtsstreits zu zwanzig Prozent der Klägerseite auf.

          Die Zeitungsverlage hatten im Juni des vergangenen Jahres gegen die „Tagesschau“-App geklagt, um zu klären, wie viele Inhalte die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet zusätzlich zu ihrem Fernsehprogramm herstellen und anbieten dürfen. Die Klage richtete sich gegen die „textdominante Berichterstattung“ in der Anwendung ohne Sendungsbezug. Der Rundfunkstaatsvertrag verbietet den Sendern „nicht sendungsbezogene presseähnliche Angebote“ im Internet. Zu den Klägern gehören der Verlag dieser Zeitung, Axel Springer, die WAZ-Gruppe, M. DuMont Schauberg, das Medienhaus Lensing, die Medienholding Nord sowie der Verlag der „Süddeutschen Zeitung“ und derjenige der „Rheinischen Post“.

          Im Zuge der Gerichtsverhandlungen hatten sich Verlagsvertreter und Intendanten dreimal getroffen und an einer gemeinsamen Erklärung gearbeitet, die den Streit beilegen sollte. Diese sah vor, dass sich die öffentlich-rechtlichen Sender im Internet auf Video- und Audioangebote konzentrieren, während die Verlage vor allem Texte verbreiten. Nach Ansicht der Verlage war diese Erklärung schon unterschriftsreif verhandelt, doch von Seiten der Sender kam stets wieder der Wunsch, die abgestimmte Erklärung abermals zu ändern. Das ZDF, das ebenfalls an den Gesprächen beteiligt war, wollte auch eine gemeinsame Erklärung vor einer Zustimmung erst vom Fernsehrat behandelt wissen. Zuletzt wollten beide Seiten das Kölner Urteil abwarten.

          Die deutliche Rechtssprechung des Gerichts wirft auch die Frage auf, wie die Politiker in den Gremien der öffentlich-rechtlichen Sender gehandelt haben, um ein solches presseähnliches und nicht sendungsbezogenes Angebot – wie es das Gericht feststellt – zu ermöglichen. Wenn sich Sender und Verlage nicht über das Onlineverhalten von ARD und ZDF einigen können, wird es an der Politik liegen, dafür zu sorgen, dass der öffentlich-rechtlichen Internetexpansion endlich Grenzen gesetzt werden.
           

          Die Tagesschau-App

          App ist eine Kurzform für Applikation und steht für „Anwendung“ oder „Programm“. Ob man das iPhone als Wasserwaage nutzt, den Tablet-Computer als Einkaufszettel oder das Handy als Wecker - häufig steckt eine App dahinter. Auch die Tagesschau hat ihre App. Seit Ende 2010 ist sie als kostenloses Angebot auf dem Markt und hat nach ARD-Angaben mittlerweile fast 4,5 Millionen Nutzer.

          Es gibt sie für iPhone und iPad, aber auch für Smartphones mit Android-Betriebssystem und für Blackberrys. Wer die App installiert, kann auf seinem Mobilgerät die Tagesschau live verfolgen oder aber die jeweils letzte Ausgabe abrufen. Die App bietet einzelne Beiträge aus den Sendungen, ergänzt um Hintergrundinformationen, zu denen auch ausführliche Texte gehören, die vom Internetangebot „tagesschau.de“ stammen.

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