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Nach EuGH-Urteil : Was Dieselkläger wissen sollten

Der Stern darf nicht fehlen: Mercedes-Benz-Mitarbeiter im Bremer Werk Bild: STRANGM/EPA-EFE/REX/Shutterstock

Für enttäuschte Kunden könnte es die Kehrtwende sein: Der Europäische Gerichtshof senkt die Hürden für Dieselklagen gegen Hersteller – und setzt deutsche Gerichte unter Handlungsdruck. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

          4 Min.

          Was hat der Europäische Gerichtshof entschieden?

          Nach Auffassung der Richter des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg reicht das fahrlässige Handeln der Automobilkonzerne im Abgasskandal aus, um Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Damit steht Käufern von Fahrzeugen mit unzulässigen Abschalteinrichtungen grundsätzlich ein Ersatzanspruch zu. Damit hat der EuGH betroffenen Dieselfahrern in ganz Europa den Rücken gestärkt.

          Marcus Jung
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Im Kern stützte sich die Große Kammer auf eine EU-Richtlinie zum Binnenmarkt aus dem Jahr 2007. Diese EU-Norm zur Typgenehmigung schütze auch den Käufer, der sein Fahrzeug jederzeit innerhalb der EU nutzen und auch wieder verkaufen könne. Dies sei ihm mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht möglich, daraus folge der finanzielle Schaden, der zu ersetzen sei.

          „Die Mitgliedstaaten müssen daher vorsehen, dass der Käufer eines solchen Fahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz hat“, heißt es in der Entscheidung vom Dienstag. Die konkrete Ausgestaltung überlässt Luxemburg den nationalen Gerichten.

          Um welchen Rechtsstreit geht es im Ausgangsfall?

          Die Ursprungsklage war vor dem Landgericht Ravensburg anhängig. Dort klagte ein Mercedes-Benz-Fahrer auf Rückgabe und Schadenersatz für sein Fahrzeug. Er hatte seinen gebrauchten Mercedes Benz, Modell C 220 CDI, im Jahr 2014 bei einem Händler gekauft. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs OM 651 verbaut, der der Abgasnorm Euro 5 entspricht. Dieser Motor wurde vom Jahr 2008 an in verschiedenen Fahrzeugmodellen verbaut. Das Kraftfahrt-Bundesamt hatte mehrere verpflichtende Rückrufe für Fahrzeuge mit dem Dieselmotor OM 651 angeordnet.

          Der Kläger machte geltend, dass die Software in seinem Fahrzeug neben dem sogenannten Thermofenster, das die Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen zum Motorschutz herunterregelt, auch unzulässige Abschalteinrichtungen enthält. Diese verringerten die Wirkung der Emissionskontrollsysteme im realen Straßenbetrieb. Mercedes-Benz habe ihn insoweit vorsätzlich und sittenwidrig getäuscht. Das Landgericht Ravensburg setzte den Rechtsstreit aus und brachte den Fall vor den EuGH.

          Welche Folgen hat das EuGH-Urteil für Verbraucher?

          Die Hürden für Dieselklagen gegen die Automobilindustrie sind deutlich abgesenkt worden. Denn bisher musste die sittenwidrige, vorsätzliche Schädigung von den Klägern bewiesen werden. Wegen fehlender Einblicke in Produktionsabläufe gestaltete sich das schwierig – trotz einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs gegen Volkswagen vom Mai 2020.

          Mit der Haftung für fahrlässiges Handeln dürfte dies künftig nicht mehr erforderlich sein. Fachleute sprechen von einer erheblichen Stärkung der Verbraucherrechte. „Durch die heutige Entscheidung wird die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen des Abgasskandals so einfach wie nie zuvor“, sagt Rechtsanwalt Claus Goldenstein, dessen Kanzlei die erste BGH-Entscheidung gegen VW erstritten hat. Seiner Auffassung nach hat nun auch das höchste deutsche Zivilgericht in Karlsruhe keine andere Wahl, als den Haltern von Dieselfahrzeugen mit sogenannten Thermofenstern Schadenersatz zuzusprechen.

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