Zugunglück von Bad Aibling : Juristen prüfen Schadensersatzansprüche
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Zwei Tage nach dem Zugunglück beginnen die Bergungsarbeiten. Bild: Esra Klein
Mit nun elf Toten ist das Eisenbahnunglück in Bad Aibling das schwerste in Deutschland seit Eschede im Jahr 1998. Welche Ansprüche auf Schadensersatz haben die Geschädigten und Hinterbliebenen?
Der Unfall zweier Regionalzüge im bayerischen Bad Aibling hat heute weiterhin die Einsatzkräfte beschäftigt. Die Zahl der Toten ist auf elf gestiegen. Ein 47 Jahre alter Mann aus dem Landkreis München erlag in einer Klinik seinen Verletzungen, wie die Polizei mitteilte. Am Nachmittag war zuvor auch das zehnte Todesopfer identifiziert worden. „Nach der Erstversorgung muss dieses schreckliche Erlebnis weiter verarbeitet werden“, sagte Bernd Rosenbusch, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Bayerischen Oberlandbahn, die einen der beiden Züge betrieben hat. „Wir bieten den Betroffenen und ihren Familien auf Wunsch psychologische Unterstützung durch Spezialisten an.“
Für die Hinterbliebenen und die Geschädigten bestehen Ansprüche auf Schadensersatz. Transportunternehmen müssen hierzulande eine Haftpflichtversicherung für solche Fälle abschließen. Nach dem Haftpflichtgesetz stehen Betroffenen unabhängig von der Schuldfrage bis zu 600.000 Euro oder eine jährliche Rentenzahlung von bis zu 36.000 Euro je nach Schwere der Schädigung zu. „Für die Aufarbeitung der Haftung ist es aber noch zu früh“, sagt Thomas Gahr, Haftpflicht-Fachmann des Versicherungsmaklers Aon. Zunächst müssten die Ursachen und die Schadenverhältnisse geklärt werden. Angesichts des jetzt schon absehbaren Umfangs der Personenschäden sei eine Gesamtsumme im einstelligen Millionen-Euro-Bereich realistisch. Gemeinsam mit den Sachschäden und den Bergungskosten dürfte eine Summe im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich auf die Versicherungswirtschaft zukommen.
Die Zahlungen an Hinterbliebene richteten sich nach ihrem individuellen Bedarf: War ein Todesopfer Alleinversorger einer Familie mit Kindern, sind die Ansprüche höher als wenn der Verdienstausfall eines Rentners ohne zu versorgende Kinder beglichen werden muss. Denn die Haftpflichtpolice soll eine Familie in die Lage versetzen, den vorher üblichen Lebensstandard aufrechtzuerhalten. „Der Umfang leitet sich aus der Lebenswirklichkeit ab“, sagt eine Sprecherin des Versichererverbands GDV. „Ein Hartz-IV-Empfänger kann weniger Anspruch geltend machen als der Manager eines großen Unternehmens, der fünf Kinder versorgt hat.“ Auch bei verletzten Opfern richtet sich der Schadensersatz nach dem Grad ihrer Verletzung und dem Aufwand, ihren vorherigen Gesundheitszustand wiederherzustellen. Bei der Ursachenklärung muss auch ermittelt werden, ob eine Person schuldig an dem Unglück gewesen ist. In diesem Fall würde auch deren Betriebshaftpflicht-Versicherung greifen, die üblicherweise Deckungen zwischen 5 und 10 Millionen gewähren.
Die Haftpflichtversicherung der Transportunternehmen stellen üblicherweise größere Versichererkonsortien bereit. Das Schadenmanagement übernimmt der führende Versicherer, die anderen Konsortialpartner folgen seinen Festlegungen. Wer die Bayerische Oberlandbahn versichert hat, ist bislang noch nicht bekannt. Als Versicherer der Deutschen Bahn wird in der Branche die Axa Corporate Solutions genannt. Mit der Pflichtversicherung von 10,2 Millionen Euro je Ereignis müssen die Ansprüche noch nicht beschränkt sein. „Es kann noch weitere Anspruchsgrundlagen geben, die derzeit geprüft werden müssen“, sagt Aon-Fachmann Thomas Gahr. Insofern könne man über Umfänge derzeit allenfalls spekulieren.