
Zeitungssterben in Amerika : Tod durch Selbstentwertung
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Die letzte Ausgabe der „Rocky Mountain News” in Denver erschien im Februar Bild: AFP
Die Krise der amerikanischen Zeitungen eskaliert in der Rezession, die Probleme sind aber grundsätzlicher Natur und mit einem konjunkturellen Aufschwung nicht zu lösen. Printmedien haben kein Geschäftsmodell für das Online-Zeitalter gefunden.
Abschiedsausgaben sind ein trauriges Symbol der Zeitungskrise in Amerika. Tageszeitungen aus Städten wie Denver oder Seattle haben in den vergangenen Wochen ihre letzten Exemplare produziert. Auf den Titelseiten standen Abschiedsformeln wie "Goodbye". Hinweise auf Gründungsdaten im neunzehnten Jahrhundert unterstrichen, welch traditionsreiche Institutionen verschwinden. Die Schlussausgaben werden jetzt als Souvenirs bei Ebay gehandelt.
Es ist zu fürchten, dass viele andere Titel folgen. Ein seit Jahren schleichender Niedergang der Branche hat sich rapide beschleunigt und bringt eine Reihe von Publikationen in Existenznot. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis eine amerikanische Großstadt ohne Lokalzeitung auskommen muss: Der Verleger des in seiner Stadt konkurrenzlosen "San Francisco Chronicle" droht mit der Einstellung des Blattes. Die mächtigsten Zeitungsadressen des Landes wanken.
Ohne Geschäftsmodell für das Online-Zeitalter
Die "New York Times" musste sich vom mexikanischen Milliardär Carlos Slim Helú finanziell stützen lassen. Der Medienkonzern News Corp. von Rupert Murdoch hat den erst vor gut einem Jahr gekauften Verlag Dow Jones in der Bilanz zur Hälfte abgeschrieben. Die Lage ist so desolat, dass ein amerikanischer Senator per Gesetz Zeitungen die Umwandlung in gemeinnützige Organisationen erlauben will.
Die Krise eskaliert in der Rezession, die Probleme sind aber grundsätzlicher Natur und mit einem konjunkturellen Aufschwung nicht zu lösen. Printmedien haben kein Geschäftsmodell für das Online-Zeitalter gefunden. Immer mehr Menschen verzichten auf eine Zeitung und nutzen nur noch das Internet, auch die Anzeigen wandern ins Netz ab. Auch aus Kostengründen bestellt mancher Leser sein Zeitungsabonnement ab und beschränkt sich auf das Angebot im Internet. Das wäre zu verschmerzen, wenn Leser und Anzeigenkunden in den Online-Versionen von Zeitungen als Einnahmequellen erhalten blieben. Aber die Inhalte sind in der Regel kostenlos, und das Anzeigengeschäft wirft kümmerliche Umsätze ab.
Das Geld landet bei Google
Zeitungsverlage sind mit ihren Internetstrategien falschen Verheißungen erlegen und büßen nun dafür. Die Gratis(un)kultur im Internet verbietet es angeblich, so lautet das Argument, Geld für Inhalte zu verlangen. Wer braucht Geld vom Nutzer, wenn die Kasse mit Online-Anzeigen klingelt? Tatsächlich fließt viel Geld in Internetwerbung, aber es kommt bei denjenigen, die journalistische Qualitätsinhalte aufwendig produzieren, nicht an.
Das Geld landet bei Internet-Aggregatoren wie Google. Die Suchmaschine geriert sich gern als Partner, der am Fortbestand von Zeitungen interessiert und auf deren Inhalte angewiesen ist. Doch die angebliche Partnerschaft ist einseitig. Ohne Bezahlung saugt der Google-Algorithmus die wertvollen Inhalte von den Online-Seiten der Verlage, um sie zielgerichtet bei der Werbekundschaft zu vermarkten. Das Missverhältnis ist krass, Verlage erlösen im Internet nur Brotkrümel.
Werbung liefert seit jeher einen wesentlichen Erlösbeitrag für Zeitungen und Zeitschriften, die sich gleichwohl vor allem über redaktionelle Inhalte definieren. Weil im Internet die Inhalte umsonst abgegeben werden, liefern sich die Verlage der Online-Werbung aus. Aber das Geschäft mit der Internetwerbung machen nicht sie, sondern andere: Spezialisten wie Google oder der kostenlose Online-Kleinanzeigendienst Craigslist, der dafür gesorgt hat, dass sich ein lukratives Printgeschäft im Internet fast in Luft auflöst. Verlage können im Internet nur noch Cent-Beträge für bunte Display-Anzeigen zusammenkratzen.
Vorbild iTunes
Das beschleunigte Zeitungssterben in den Vereinigten Staaten wirft die Frage auf, ob der Online-Leser doch für Inhalte zur Kasse gebeten werden kann. Das ist eine Herausforderung, schließlich sind Internetnutzer seit jeher mit Gratisangeboten verwöhnt worden. Verschiedene Modelle werden diskutiert: Anbieter von Inhalten könnten einen Teil der Internetzugangsgebühren oder einen Ausgleich für ihre Urheberrechte bekommen. Artikel könnten einzeln für kleine Beträge (Micropayments) nach dem Vorbild des Online-Musikdienstes iTunes verkauft werden.
Digitale Lesegeräte in der Art des Kindle von Amazon könnten zu einem Medium für Zeitungsabonnements werden. Ein kalifornisches Unternehmen namens Kachingle setzt auf freiwillige Beiträge, die je nach Surfverhalten verteilt werden. Alle diese Ansätze haben Schwächen, keiner wird Zeitungen aus ihrer Finanzklemme retten. Aus der Krise führt nicht eine Strategie allein. Auch in der Werbung sind bessere Geschäftsmodelle möglich als die Schaltung von Banneranzeigen. So erlaubt eine Partnerschaft amerikanischer Zeitungen mit dem Internetkonzern Yahoo eine zielgenaue Abstimmung der Anzeigen mit dem Nutzerverhalten und ermöglicht so höhere Preise.
Verlage sollten versuchen, sich vom Leser auch online entlohnen zu lassen. Es könnte viele Bezahlexperimente geben, von denen einige scheitern dürften, bevor ein funktionierendes Modell gefunden wird. Eine solche Überlebensstrategie, die den Wert journalistischer Qualitätsinhalte betont, wäre allemal besser als der schleichende Tod durch Selbstentwertung.