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F.A.Z. exklusiv : Erste Klagen auf Schadenersatz gegen die Bafin

Eingang der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in Bonn Bild: dpa

Eine Kanzlei ist davon überzeugt, dass wegen des Wirecard-Skandals werthaltige Ansprüche gegen die Bafin, aber auch gegen die Wirtschaftsprüfer von EY bestehen. Die Finanzaufsicht muss sich auf eine Klagewelle einstellen.

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          Nach der Insolvenz des Finanzkonzerns Wirecard muss sich die deutsche Finanzaufsicht Bafin auf Schadenersatzklagen gefasst machen. Michael Leipold, Rechtsanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, bereitet im Auftrag von rund 300 geschädigten Wirecard-Anlegern eine Klage gegen die Behörde vor. „Wir prüfen derzeit, wie wir die Bafin in Haftung nehmen können“, sagte Leipold am Sonntag der F.A.Z. Auch gegen die Wirtschaftsprüfer von EY (vormals Ernst & Young) bereitet seine Kanzlei eine Klage vor, da diese anscheinend über mehrere Jahre falsche Jahresabschlüsse testiert hätten. Anlegern seien dadurch wichtige Informationen vorenthalten worden.

          Henning Peitsmeier
          Wirtschaftskorrespondent in München.

          Leipold vertritt internationale Großaktionäre wie einen Vermögensverwalter aus Hong Kong ebenso wie kleine Privatanleger, die Geld im Kurssturz der Wirecard-Aktie verloren haben. Vieles spreche dafür, dass werthaltige Ansprüche sowohl gegen die Wirtschaftsprüfer als auch gegen die Bafin bestehen könnten. Nachdem Bafin-Präsident Felix Hufeld bereits erhebliche Fehler eingeräumt habe, seien die Chancen nochmals gestiegen. „Der oberste Repräsentant der Behörde spricht selbst von Versäumnissen und hat damit den Grundstein für die Schadenersatzklage gelegt“, sagte Leipold.

          Hufeld hatte die Ereignisse um Wirecard als eine „Schande“ für Deutschland bezeichnet. Auch die Berliner Rechtsanwälte Marc Liebscher und Wolfgang Schirp bereiten eine Sammelklage wegen Staatshaftung gegen die Bundesrepublik Deutschland vor. Grund ist für sie ebenfalls „das krasse Versagen der deutschen Aufsichtsbehörden“ im Fall Wirecard. „Dafür werden wir die Bundesrepublik für unsere Mandanten auf Schadensersatz verklagen“, kündigte Liebscher an.

          „Ein schwerer Fehler“

          Wirecard wurde seit vielen Jahren des Betrugs und der Geldwäsche verdächtigt. Als die britische Wirtschaftszeitung „Financial Times“ Anfang 2019 konkrete Vorwürfe gegen den Münchner Zahlungsabwickler erhoben hatte, habe die Bafin dies nicht zum Anlass für eine breit angelegte Sonderuntersuchung genommen, kritisierte Rechtsanwalt Leipold. Tatsächlich wurde der Fall Wirecard nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ von den deutschen Finanzaufsehern trotz zahlreicher Hinweise auf möglichen Bilanzbetrug nur mit minimalem Aufwand überprüft.

          Demnach hat die Bafin zwar im Februar 2019 im Rahmen der Wertpapierüberwachung Anlass gesehen, den schwerwiegenden Vorwürfen bei Wirecard nachzugehen. Aber bei der mit dieser Untersuchung beauftragten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) war damit im Wesentlichen nur ein einzelner Mitarbeiter beschäftigt. Externe Hilfe hat die als „Bilanzpolizei“ bezeichnete Prüfstelle auch nicht hinzugezogen. Leipold sieht hier schwere Versäumnisse der Bafin, die den Verdacht auf Verschleppung des Verfahrens nahelegten.

          „Dass für eine solch aufwendige Prüfung nicht genügend Personal abgestellt wurde, ist ein schwerer Fehler“, sagte Leipold. „Ein einzelner Mitarbeiter kann allein eine derart komplexe Firmenstruktur wie bei Wirecard nicht überblicken.“ Es sei zudem fraglich, ob sich die Bafin in einem solch konkreten Fall allein auf die Wirtschaftsprüfer verlassen könne. EY hatte der Wirecard-Bilanz 2018 noch ein uneingeschränktes Testat erteilt. Leipold zufolge können sich Ansprüche auf Schadensersatz für alle Anleger ergeben, die zwischen dem 24. Februar 2016 und dem 18. Juni 2020 Wertpapiere gehandelt haben.

          Wirecard hatte am Donnerstag vergangener Woche Insolvenz angemeldet, weil 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz fehlten. In einer Adhoc-Mitteilung des Dax-Konzerns hieß es, dass es den Milliardenbetrag, der angeblich auf Treuhandkonten bei zwei Banken auf den Philippinen lagern sollte, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gegeben habe.

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