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Agenturen spüren Kostendruck : „Die Verhandlungen werden härter“

Dahinter steckt sicherlich eine Werbeagentur: Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf bewerben ihre Sendung mit vollem Körpereinsatz. Bild: dpa

Die Köpfe hinter den Werbekampagnen großer Marken müssen sich mit der Inflation und gestiegenen Ansprüchen junger Mitarbeiter auseinandersetzen. Außerdem findet eine Professionalisierung der Geschäftsführungen statt.

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          Trotz schwächelnder Konjunktur mussten die deutschen Werbeagenturen 2022 keine Nullrunde hinnehmen. Im vergangenen Jahr stiegen die Umsätze der Branche um 1,2 Prozent, wie der Gesamtverband Kommunikationsagenturen GWA am Dienstag in Frankfurt mitteilte. Allerdings sank die Rendite der Agenturen auf rund 8,1 Prozent und war damit so niedrig wie seit zehn Jahren nicht mehr. „Die Stimmung ist gedämpft“, sagte Larissa Pohl, Präsidentin des Verbands, auf einer Konferenz in der Frankfurter Geschäftsstelle am Dienstag.

          Gregor Brunner
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Im Großen und Ganzen erwarteten die Verbandsmitglieder für dieses Jahr ein gleichbleibendes Umsatzwachstum, geht aus einer Befragung hervor. Die schwache Konjunktur habe sich mittlerweile als zweitgrößtes Wachstumshemmnis hervorgetan. An erster Stelle steht wie im vergangenen Jahr der Fachkräftemangel. „Junge Bewerber haben wesentlich höhere Ansprüche was mobiles Arbeiten und das Gehalt angeht“, sagte Pohl. Gleichzeitig würden aber viele Agenturen im Moment darauf drängen, ihre Arbeitskräfte wieder ins Büro zurückzuholen, um den Austausch und die Kreativität zu fördern, ergänzte Ralf Nöcker, Geschäftsführer des Verbands.

          Zudem gebe es wieder wesentlich mehr Festanstellungen in der Branche, die auch zu einem großen Teil von Selbständigen geprägt ist. Viele Agenturen wollten die stark gestiegenen Tagessätze der Selbständigen nicht mehr tragen und sind deswegen auf billigere Festanstellungen umgestiegen. Der Umsatzaufschwung 2021 hätte dies erlaubt. Gleichzeitig treibt die Krise mehr Selbständige dazu an, sich Festanstellungen zu suchen. „Auch sind kleinere Aufträge im vergangenen Jahr weniger geworden. Üblicherweise wurden diese von Selbständigen abgedeckt“, sagte Nöcker.

          Agenturinhaber bilden sich zu Geschäftsführern weiter

          So spüren die Agenturen steigende Kosten von außen wie von innen. Sie begegnen der Inflation ihrerseits mit höheren Preisen. „Wir versuchen unseren Mitgliedern Werkzeuge an die Hand zu geben, um höhere Preise für sich aushandeln zu können“, sagt Pohl. Der Verband bietet etwa Fortbildungen zur betriebswirtschaftlichen Führung einer Agentur an. Viele Inhaber seien noch zu sehr im Kreativen verhaftet und würden ihre Häuser zu wenig als Geschäft führen.

          „Einige Agenturen verbuchen auch schon Erfolge. Aber die Verhandlungen werden härter“, sagt Pohl. Viele Werbekunden sind im Moment dabei, ihre Etats zu kürzen. Typischerweise wird die Werbung in schlechten konjunkturellen Phasen zuerst zurückgefahren. Früher war es üblich, für weniger Geld die gleiche Leistung zu verlangen, sagt Pohl. „Nun erreichen es unsere Mitglieder aber, für sich auch ein geringeres Leistungsmaß herauszuhandeln, wenn Kunden einen geringeren Preis zahlen.“ Wenn 10 Prozent weniger gezahlt würde, dann müssten sich Kunden auch etwa mit weniger erfahrenen Teams zufrieden geben.

          Werbeverbote treiben Agenturen um

          Thema ist auch die geplante Gesetzgebung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft unter Cem Özdemir (Grüne). Das Ministerium möchte Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt weitestgehend unterbinden. Dabei ist die Nahrungs- und Genussmittelbranche einer der größten Auftraggeber von Agenturen. 36 Prozent der GWA-Mitglieder nannten die Branche als einen der größten Umsatztreiber, wodurch sie die Spitze in der Befragung einnimmt. „Bei den Agenturen kommt ein solches Werbeverbot nicht eins zu eins an wie bei den Verteilerkanälen“, sagt Nöcker.

          Gleichwohl wandte sich der GWA in einem offenen Brief an das BMEL und kritisierte das geplante Gesetz. Unter anderem verwies der Verband auf den möglichen Wegfall von Finanzierungsmöglichkeiten für private Medien. Die Kreativarbeit der Agenturen würde wahrscheinlich weiterhin geleistet, aber werbefinanzierten Medien könnte das Verbot schaden. „Wir finden das Vorgehen als Verband schwierig. Falls das Gesetz so verabschiedet wird, ist zu erwarten, dass bald jeder Minister seinen Anspruch geltend macht“, befürchtet Nöcker. Nach Zucker könnten zum Beispiel Alkohol und SUVs auf der Verbotsliste stehen.

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