Referendum : Die deutschen Chefetagen fürchten den Brexit
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„The Chrystal“ - ein Ausstellungsgelände von Siemens in London: Selbst wenn die Briten aus der EU austreten, wird Siemens nicht alle Standorte auf der Insel schließen. Bild: The Crystal
Am Donnerstag stimmen die Briten über den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ab. Die Folgen für deutsche Unternehmen liegen im Ungewissen.
„Normalerweise halten wir uns aus solchen politischen Entscheidungen raus“, sagt Jürgen Maier. Aber das hier sei nun mal nicht der Normalfall: „Dieser Volksentscheid ist auch für Siemens sehr wichtig“, sagt der Großbritannien-Chef des Münchner Industriekonzerns. Am Donnerstag stimmen die Briten in einem Referendum über den Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ab – und nicht nur für Siemens, sondern für die deutsche Wirtschaft insgesamt steht viel auf dem Spiel.
Wie ginge es mit dem Geschäft auf der Insel weiter, wenn die Briten wirklich für den „Brexit“ stimmten? „Wir würden nicht am nächsten Tag unsere britischen Fabriken schließen“, sagt der Siemens-Manager Maier. „Aber das große Problem für uns wäre: Was wird langfristig aus unseren Standorten und unserem Geschäft in Großbritannien?“ Schließlich sei das Land global der viertgrößte Absatzmarkt für Siemens. Die Münchner sind seit 170 Jahren auf der Insel aktiv und beschäftigen dort 14000 Mitarbeiter. 13 Fabriken hat Siemens im Vereinigten Königreich. Die vierzehnte, ein Werk für Offshore-Windräder, wird gerade im nordenglischen Hull gebaut.
Großbritannien drittgrößter Handelspartner Deutschlands
Kurz vor dem Referendum grassiert in der deutschen Wirtschaft die Angst vor dem Brexit. Anton Börner, der Präsident des Außenhandelsverbands BGA, nannte es am Montag eine „Katastrophe“, sollte Europas zweitgrößte Volkswirtschaft tatsächlich aus der EU austreten. Betroffen wären davon viele deutsche Unternehmen: Jedes zweite Auto, das vergangenes Jahr auf der Insel neu zugelassen wurde, stammt von einem deutschen Konzern.
Analysten sehen auch andere große Unternehmen wie den Baukonzern Bilfinger, die Deutsche Post und den Energieversorger RWE stark exponiert. In der Finanzbranche würde der Brexit wohl ebenfalls gravierende Fragen aufwerfen – vor allem für die Deutsche Bank, die in Großbritannien derzeit mehr als 8000 Mitarbeiter beschäftigt, aber auch für die Deutsche Börse, die mit der London Stock Exchange fusionieren will.
Die Zahlen sprechen für sich: Großbritannien ist der drittgrößte Handelspartner Deutschlands, noch vor Frankreich und China. Der Bestand der Direktinvestitionen deutscher Unternehmen auf der Insel summiert sich auf 110 Milliarden Euro. Nur in den Vereinigten Staaten hat die deutsche Wirtschaft noch mehr Geld investiert. Mehr als 2500 deutsche Unternehmen haben Niederlassungen in Großbritannien. Umgekehrt sind aber auch gut 3000 britische Unternehmen in Deutschland aktiv.
Export und Import als größte Herausforderung
Am Donnerstag könnte tatsächlich der Ernstfall eintreten: Glaubt man den Wählerumfragen, haben die Proeuropäer in den vergangenen Tagen zwar aufgeholt, liegen aber mit den EU-Gegnern noch immer Kopf an Kopf. Wie sehr die Investoren den EU-Austritt der Briten fürchten, ist schon jetzt an den Kursen des Devisenmarkts abzulesen: Zuletzt hat sich das Pfund zwar etwas erholt, notiert aber gegenüber dem Euro weiterhin um rund 11 Prozent niedriger als noch im November. Nach einem Brexit-Votum würde die britische Währung wohl noch deutlich stärker absacken.