EY wird auf 195 Millionen Euro verklagt
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Logo von EY in Berlin Bild: EPA
Die Frankfurter Bank Maple hat auf jeden Fall den Staat getäuscht. Ob die Unternehmensberatung EY dabei mitgewirkt hat, müssen nun die Gerichte klären.
Der Fall bietet reichlich Material für einen Wirtschaftskrimi: Am Anfang steht eine findige Bank, die Tricks gefunden hat, wie man den Fiskus betrügen kann, dann aber – im Jahr 2016 – pleitegeht, als der Staat die so hinterzogenen Steuern zurückfordert. Die Gläubiger der Bank aber wollen entschädigt werden, und so prüft der Insolvenzverwalter, wo noch etwas zu holen ist. Mit der Anwaltskanzlei Freshfields hat er sich schon auf einen Vergleich über 50 Millionen Euro geeinigt. Deren Steueranwälte sollen falsche Bescheinigungen ausgestellt haben. Jetzt versucht es der Insolvenzverwalter bei EY. Das Unternehmen stand der Maple Bank als Steuerberater und als Wirtschaftsprüfer zur Seite. Hätte EY nicht wissen und verhindern müssen, dass die Bank Unrecht tut? Das ist in groben Zügen der Fall, der von diesem Mittwoch an vor dem Landgericht in Stuttgart aufgerollt wird (Aktenzeichen 27 O 528/19).

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Der Betriebswirt“.

Wirtschaftskorrespondentin in Stuttgart.
Der Betrug, mit dem die Sache im Jahr 2006 ihren Anfang nahm, sind Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäfte, die Steuerhinterziehung mittels Verwirrung möglich machten: So oft wurden Aktien um den Termin der Dividendenausschüttung herum hin- und her geschoben, dass nicht so einfach nachvollziehbar war, wer eigentlich die Gewinne kassierte.
Im Maple-Fall geht es nicht um Milliarden, aber auch um großes Geld. In der 189 Seiten dicken Klage, die voriges Jahr am Tag vor Weihnachten am Landgericht Stuttgart einging, bezifferte Michael Frege, der Insolvenzverwalter der Maple Bank, den Schaden noch auf 95 Millionen Euro. Mittlerweile hat sich die Summe auf 195 Millionen Euro erhöht, wie eine Sprecherin des Landgerichts Stuttgart der F.A.Z. bestätigte. EY sei für den Schaden mit verantwortlich, weil man als Steuerberater falsch beraten und als Wirtschaftsprüfer widerrechtlich ein Testat erteilt habe, obwohl die Bank für die riskanten Geschäfte keine Rückstellungen gebildet habe. Außerdem will der Kläger die Schadenersatzpflicht in Bezug auf einen Teil der Geschäfte grundsätzlich festgestellt haben, ohne ihn konkret zu beziffern.
Vergleich von EY abgelehnt
EY weist die Vorwürfe des Insolvenzverwalters „entschieden zurück. Wir betonen, dass wir an der Gestaltung von Cum-Ex-Geschäften weder in diesem Fall noch in anderen Fällen beteiligt waren.“ Daher hat das Unternehmen auch einen vom Insolvenzverwalter angestrebten Vergleich abgelehnt. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft beschuldigt ehemalige Manager der Maple Bank und Steueranwälte der schweren Steuerhinterziehung. Man soll falsche Unterlagen vorgelegt haben, denen zufolge die Bank einen Anspruch auf Steuerrückerstattungen gehabt habe. EY ist in diesem in Frankfurt anhängigen Verfahren nicht angeklagt.
Was sich kompliziert anhört, kann zumindest theoretisch im Stuttgarter Zivilprozess schnell beendet werden. Während in Strafprozessen solcher Dimension viele Verhandlungstage anberaumt werden, geht es in Zivilprozessen um die Einigung zwischen Kläger und Beklagtem. Das Gericht hat auf eine gütliche Einigung hinzuwirken, was bis hin zu konkreten Vorschlägen für einen Vergleich führen kann. Zum Prozessauftakt an diesem Mittwoch ist das persönliche Erscheinen des Insolvenzverwalters und eines EY-Vertreters angeordnet worden.
Die Expertise für den Fall können die Prozessbeteiligten in Stuttgart erwarten: Als bundesweit erstes Gericht hat das Landgericht zu Jahresbeginn eine Spezialkammer für Steuerberater- und Wirtschaftsprüferhaftung eingerichtet: „Damit wollen wir auch in höchst anspruchsvollen und komplexen Materien effektiven Rechtsschutz in angemessener Zeit gewährleisten“, erklärt Andreas Singer, Präsident des Landgerichts Stuttgart.
Keine Auskunft zu Erfolgsaussichten
Um die Rolle von EY bei der Maple Bank wirklich klären zu können, wären interne Unterlagen aus dem Prüfkonzern mutmaßlich hilfreich, weshalb Insolvenzverwalter Frege in einer gesonderten Klage Einblick in die Handakten einforderte. Das Landgericht Stuttgart verurteilte EY im Jahr 2018 dazu, Auskünfte zu geben und Einsicht in gewisse Handakten zu gewähren und vor allem nichts zu vernichten. Eine Berufung hat das Oberlandesgericht Stuttgart zurückgewiesen, die Revision ist nun beim Bundesgerichtshof anhängig (Aktenzeichen IX ZR 246/19). Handakten werden von Wirtschaftsprüfern angelegt, um später die Prüfungshandlung dokumentieren zu können. Sie dienen ausschließlich dem persönlichen Gebrauch und werden normalerweise niemandem ausgehändigt.
Zu der Frage, ob der Ausgang des Prozesses für andere Cum-Cum- oder Cum-Ex-Fälle beispielgebend sein könnte, wollte sich der Insolvenzverwalter nicht äußern. Darüber habe er keine Kenntnis. Ebenso wenig wollte er sich zu den Erfolgsaussichten äußern.
Die digitale F.A.Z.