Wall Street : Die Macht von Goldman
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Im aktuellen Jahresbericht wurde „ungünstige Öffentlichkeit“ erstmals in die Liste der geschäftlichen Risiken aufgenommen. Die negativen Medienberichte könnten einen „negativen Einfluss auf unsere Reputation und auf die Moral und Leistung unserer Angestellten“ haben, heißt es dort. Das wiederum könnte sich negativ auf Geschäft und Ergebnis auswirken. Fachleute kennen keine anderen Fälle, wo Unternehmen schlechte Presse explizit als Risiko für ihr Geschäft aufgeführt haben. „Wir leben nicht in einem Vakuum und wir sind uns sehr bewusst, was die allgemeine Öffentlichkeit denkt“, sagte John Rogers, Stabschef von Goldman, kürzlich.
Das Problem für Goldman ist jedoch weniger die allgemeine Öffentlichkeit, sondern die Art und Weise, wie die Stimmung im Land die Politik beeinflusst. Im Kongress wird derzeit um eine Reform der Finanzbranche gerungen. Trotz des großen Einflusses von Goldman Sachs in Washington drohen starke Folgen auf das Geschäft von Goldman. Präsident Barack Obama hatte angesichts hoher Bonuszahlungen bei Banken gewettert, er habe nicht kandidiert, um „einem Haufen Bonzen an der Wall Street“ auszuhelfen. Wenig später präsentierte Obama einen Plan, der die Einschränkung des Eigenhandels bei Banken vorsieht. Da half es nichts, dass Mitarbeiter von Goldman kräftig für Obamas Wahlkampf gespendet hatten. Und auch die starke Präsenz ehemaliger Gold-Männer an Schlüsselpositionen von Politik und Aufsichtsbehörden ist kein Selbstläufer.
Netzwerk reicht weit in die Politik
Ein Wechsel in die Politik nach einer lukrativen Karriere als Investmentbanker hat Tradition bei Goldman Sachs. Böse Zungen sprechen daher von „Government Sachs“ - Regierung Sachs. Die Liste ehemaliger Goldman-Banker auf solchen Posten ist lang. Wenn der Bank das jetzt zum Nachteil ausgelegt wird, ist Goldman auf gewisse Weise Opfer des eigenen Erfolgs geworden. Denn die Bank legt immensen Wert darauf, nur die besten Leute einzustellen. Wer es zum Partner bei Goldman gebracht hat, ist deswegen nicht nur vermögend, sondern auch attraktiv für Spitzenjobs in Politik oder Wirtschaft.
Das prominenteste Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist dafür Henry „Hank“ Paulson, der mehrere Jahre Vorstandschef von Goldman war, bevor er von Präsident George W. Bush 2006 als Finanzminister nach Washington geholt wurde. Paulson bestückte sein Team dann mit weiteren Leuten aus der New Yorker Talentschmiede. Der junge Investmentbanker Neel Kashkari wurde zur rechten Hand von Paulson und verantwortete schließlich die Umsetzung des staatlichen Bankenrettungsprogramms Tarp. Der von Paulson als Vorstandschef des angeschlagenen und staatlich gestützten Versicherers AIG eingesetzte Edward Liddy kam aus dem Verwaltungsrat von Goldman. William Dudley, der Präsident der New York Fed, der wichtigsten regionalen Notenbank im Zentralbanksystem der Vereinigten Staaten, war vorher Chefvolkswirt von Goldman Sachs. Auch der derzeitige Chef der Terminbörsenaufsicht CFTC, Gary Gensler, machte Karriere bei Goldman Sachs, bevor er ins Finanzministerium und schließlich an die Spitze der Behörde wechselte, die für die stärkere Regulierung wichtiger Produkte seines ehemaligen Arbeitgebers eintritt. Auch der derzeitige amerikanische Botschafter in Berlin, Philip Murphy, arbeitete einst für Goldman Sachs.
Die starke Präsenz der Ehemaligen von Goldman sorgt aber immer wieder für Kontroversen. Einige Entscheidungen von Paulson auf dem Höhepunkt der Finanzkrise wurden als eine Art Geschenk für Goldman kritisiert. So profitierte Goldman neben direkten Staatshilfen auch von staatlichen Geldern, die AIG erhielt. Goldman, die zu den größten Handelspartnern von AIG gehörte, und andere Banken, darunter die Deutsche Bank, bekamen von dem Versicherer einen zweistelligen Milliardenbetrag für Kreditausfallversicherungen überwiesen. Vertreter von Goldman beteuern, dass die Ehemaligen in den politischen Ämtern die Kontakte eher erschweren. Politiker müssten darauf achten, ihren ehemaligen Arbeitgeber nicht zu bevorzugen.