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Streit in Wolfsburg : Volkswagen will Machtkampf beenden

Das Duo: Herbert Diess und Bernd Osterloh Bild: dpa

Zwischen VW-Chef Diess und dem Betriebsrat schwelt seit Monaten ein Konflikt über das Tempo der Transformation und die Tiefe der Einschnitte. Der Aufsichtsrat versucht in einer Art Pendeldiplomatie zu vermitteln.

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          Im Machtkampf zwischen dem Betriebsrat von VW und Volkswagen-Chef Herbert Diess hat sich der Aufsichtsrat des Unternehmens eine klare Ziellinie gesetzt. Vor Weihnachten sollten die intern umstrittenen neuen Vorstandspersonalien entschieden sein. „Niemand will das bis ins neue Jahr ziehen“, sagten mehrere mit dem Verfahren vertraute Personen am Donnerstag.

          Carsten Germis
          Wirtschaftskorrespondent in Hamburg.

          Eine auf den frühen Mittwochabend vorgezogene Sitzung des Aufsichtsrat war zuvor schon nach kurzer Zeit ohne Beschlüsse beendet worden. Die Gespräche zwischen allen Beteiligten liefen konstruktiv weiter, teilte ein Sprecher nach dem Treffen in Wolfsburg im Anschluss nur mit.

          Einzig verbliebener größerer Streitpunkt ist dem Vernehmen nach die Frage: Wird mit den Veränderungen im Vorstand auch der Vertrag des VW-Vorstandschefs vorzeitig verlängert oder nicht? Bei der Frage des Neuzuschnitts im Vorstand – so wird zum Beispiel diskutiert, einen neuen Konzernvorstand für IT und Software zu berufen – und bei der Neubesetzung des Finanz- und des Beschaffungsvorstands seien Lösungen gefunden worden. „Da haben wir uns echt bewegt“, hieß es im Umfeld des Betriebsratschefs Bernd Osterloh.

          Auch andere sahen „keine Hindernisse mehr, die nicht überwunden werden könnten“. Der Vertrag von Diess soll dagegen offiziell nicht auf der Tagesordnung gestanden haben. Der VW-Chef habe die vorzeitige Verlängerung aber angesichts der vielen Widerstände im Unternehmen gegen seinen Kurs als „Vertrauensbeweis“ des Aufsichtsrats zu einer Bedingung gemacht, ist zu hören.

          „Eher kommt das Christkind ein zweites Mal auf die Welt“

          Der Machtkampf zwischen Diess und dem Betriebsrat über das Tempo der Transformation von VW und die Tiefe der Einschnitte schwelt in Wolfsburg seit Monaten. Diess’ auf fünf Jahre geschlossener Vertrag als Chef des Volkswagen-Konzerns läuft noch bis Frühjahr 2023, üblicherweise würde eine Verlängerung damit erst Anfang 2022 zum Thema für den Aufsichtsrat werden. „Er soll jetzt erst einmal liefern“, war aus dem Umfeld des Gremiums zu hören.

          Die Arbeitnehmerseite hat nie einen Hehl daraus gemacht, einer vorzeitigen Vertragsverlängerung nicht zuzustimmen. Die Familien Porsche und Piëch, die gemeinsam die Mehrheit an den Stammaktien des Unternehmens halten, sind dagegen dem Vernehmen nach dazu bereit, auf die Bedingungen des VW-Chefs einzugehen.

          In der Frage Vertragsverlängerung bleiben die Fronten verhärtet. „Eher kommt das Christkind ein zweites Mal auf die Welt, als dass Diess dafür eine Mehrheit bekommt“, sagte ein Insider. Da der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch und andere Mitglieder des Gremiums die Vorstandsentscheidungen aber möglichst noch in diesem Jahr über die Bühne bringen und den Konflikt nicht ins kommende Jahr schleppen wollen, steht und fällt die Einigung mit der Vertragsverlängerung von Diess.

          Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch versucht in diesen Tagen, in einer Art Pendeldiplomatie zwischen den wichtigsten Akteuren zu vermitteln. Zwei mögliche Szenarien werden in Wolfsburg durchgespielt, nachdem die vom Vorstandschef gewünschte Vertragsverlängerung keine Mehrheit finden dürfte: Diess erfüllt seinen Vertrag und verzichtet auf eine vorzeitige Verlängerung, bekommt aber einen gesichtswahrenden „Vertrauensbeweis“ in anderer Form. Oder die Vertragsverlängerung wird abgelehnt, und Diess wirft das Handtuch. „Der Aufsichtsrat lässt sich nicht erpressen“, hieß es dazu von mehreren Seiten.

          Auch im Umfeld der Anteilseigner zeigte sich der eine oder andere irritiert darüber, dass Diess den Konflikt mit dem Betriebsrat ausgerechnet jetzt so eskalieren lasse. Diess selbst hat bei den Entscheidungen immer wieder zur Eile gedrängt. „Wir können uns das nicht mehr leisten, weil viele wichtige Entscheidungen anstehen“, sagte er der „Wirtschaftswoche“. Und angesprochen auf die Vertragsverlängerung: Es gehe um eine strategische Weichenstellung. Er habe vor, seinen bis 2023 laufenden Vertrag zu erfüllen.

          Bis spätestens Juni soll die Nachfolge von Konzern-Finanzchef Frank Witter geregelt sein, der dann aus persönlichen Gründen abtreten will. Ihn könnte Arno Antlitz ersetzen, derzeit Finanzvorstand bei der VW-Tochtergesellschaft Audi.

          Für das Beschaffungsressort, das seit dem Rückzug von Stefan Sommer im Juni verwaist ist, war Murat Aksel im Gespräch, der diesen Posten bisher für die Marke VW innehat. Das Komponentenressort, das unter Sommer in einem Vorstandsbereich mit dem Einkauf gebündelt war, könnte als eigenständiges Ressort von Thomas Schmall geleitet werden. Er führt schon die konzerneigene Zuliefersparte „Komponente“.

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