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VW-Vorstand Brandstätter : „Wir dürfen unsere Position in China nicht schwächen“

Ralf Brandstätter, Landeschef des VW-Konzerns in China Bild: dpa

Europas größter Autokonzern warnt die Politik vor einem zu harten Kurs gegenüber der Volksrepublik. Peking soll für VW zu einer Art „zweitem globalen Hauptquartier“ werden.

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          Die Spannungen zwischen China und dem Westen werden zum wachsenden Risiko für ausländische Unternehmen, die in der Volksrepublik tätig sind. Europas größter Autohersteller Volkswagen, der rund 40 Prozent seiner Fahrzeuge in dem Land verkauft, warnt nun eindringlich davor, die Konflikte weiter eskalieren zu lassen.

          Christian Müßgens
          Wirtschaftskorrespondent in Hamburg.

          „Wir dürfen unsere Position in China nicht absichtlich aus politischen Gründen schwächen“, sagt der zuständige VW-Vorstand und Landeschef des Konzerns in China, Ralf Brandstätter. „China wird seine Beziehungen zum Rest der Welt verändern. Aber Entkopplung kann nicht die Lösung sein.“

          Die Äußerungen sind brisant, weil die Bundesregierung gerade an einer neuen Chinastrategie feilt. Vor allem auf Druck der Grünen will Berlin die Gangart gegenüber Peking verschärfen – und bringt damit Teile der Wirtschaft gegen sich auf, die um ihre Geschäfte im Land fürchten. Brandstätter verweist auf den chinesischen Automarkt, dessen Wachstum zwar zuletzt gebremst war, der aber trotzdem global weiter an Bedeutung gewinnt.

          Sorge vor einer Eskalation des Taiwan-Konflikts

          21 Millionen Autos verkauften die Hersteller 2022 in China, soviel wie nirgendwo sonst auf der Welt. Bis spätestens 2030, so die Prognose, sollen es 30 Millionen Stück werden. VW kommt mit seinen Verbrennern in dem Land auf einen Marktanteil von fast einem Fünftel und strebt auch mit Elektroautos eine starke Position an, wenngleich die E-Offensive der Wolfsburger nur schleppend Fahrt aufnimmt.

          Keinesfalls will VW, wie von Teilen der Politik gefordert, das Tempo im Land reduzieren oder sich gar teilweise zurückziehen. Es sei sehr wichtig, „dass wir dort präsent bleiben und weiter erfolgreich sind“, betont Brandstätter.

          Ein besonderer Fokus lag zuletzt auf dem Taiwan-Konflikt. China betrachtet die Republik vor seiner Küste als Teil des eigenen Staatsgebiets. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine wächst die Angst vor einer Eskalation. „Sollte es zu einem militärischen Konflikt um Taiwan kommen, wären die Folgen für uns alle schwerwiegend“, betont VW-Manager Brandstätter. Er pocht auf diplomatische Lösungen, die aus seiner Sicht durchaus Erfolgschancen haben. „Ich habe den Eindruck, dass alle Beteiligten an einer Deeskalation interessiert sind, nicht an einer Eskalation.“

          „Keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen“

          Unter Druck steht VW auch in der Region Xinjiang. Dort betreiben die Wolfsburger ein Werk und setzen sich damit dem Vorwurf aus, die Unterdrückung der uigurischen Minderheit in der Region indirekt mitzutragen. Brandstätter, seit gut fünf Monaten im Amt, kündigt an, das Werk im Februar zu besuchen.

          Die Präsenz des Konzerns in Xinjiang verteidigt er. „Wir tun alles, was in unserer Macht steht, um in Urumqi im Werk unseres Joint Ventures SAIC Volkswagen gute Arbeitsbedingungen sicherzustellen“, so der Chinavorstand. „Auch unser Lieferantennetz prüfen wir genau. Wir haben keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen oder Zwangsarbeit.“

          Um das Geschäft gegen immer neue Störungen in den Lieferketten abzusichern, forciert er die lokale Wertschöpfung im Land. „Wir werden noch stärker in China für China entwickeln und lokale Zulieferer noch enger einbinden als bisher“, kündigt Brandstätter an. „So werden wir die Entwicklungsgeschwindigkeit beschleunigen und die Wünsche der Kunden noch besser bedienen.“ Gleichzeitig werde das Geschäft unempfindlicher für geopolitische Konflikte.

          Solche Strategien verfolgen derzeit viele globale Konzerne, die befürchten, dass im Fall politischer Eskalationen ganze Landesgesellschaften von Lieferketten und Finanzströmen abgeschnitten werden. Für den VW-Konzern mit seiner besonders großen Abhängigkeit vom chinesischen Markt bedeutet das, dass auch die Landesverwaltung in Peking an Bedeutung gewinnt. Zukünftig soll sie noch stärker an Strategien und Entwicklung feilen, statt bloß den Vertrieb zu organisieren. „Peking wird zu einer Art zweitem globalen Hauptquartier des VW-Konzerns werden“, sagt Brandstätter.

          Zuletzt wurde das Geschäft über Jahre durch harsche Corona-Lockdowns gebremst. Das plötzliche Ende der chinesischen Zero-Covid-Strategie sorgt nun für neue Probleme. Infektionswellen rollen durchs Land, überlasten die Krankenhäuser und schränken auch die Wirtschaft ein, weil viele Beschäftigte ausfallen. Brandstätter erwartet, dass sich die Lage noch im Frühjahr zu entspannen beginnt. „Das erste Quartal wird noch stark durch die Corona-Turbulenzen geprägt sein. Danach wird sich die Situation schrittweise verbessern.“

          Eine konkrete Prognose für den Absatz in China will er wegen der weiter großen Unsicherheit nicht geben. Vergangenes Jahr hatte der Konzern im Land rund 3,2 Millionen Fahrzeuge an Kunden geliefert, ein Rückgang von 3,6 Prozent. Die Zahl der verkauften E-Modelle wächst kräftig, wenn auch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. 155.700 Einheiten lieferte VW in China aus, 68 Prozent mehr als 2021.

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