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Werk in South Carolina : VW sieht neuen „Goldrausch“ in Amerika

Milliarden vom US-Steuerzahler: VW-Chef Oliver Blume vor einem Logo der neuen Konzernmarke Scout Bild: EPA

Der Wolfsburger Konzern streicht 1,3 Milliarden Dollar Fördermittel für eine Fabrik seiner neuen US-Marke Scout ein. Für Streit könnte das Thema Mitbestimmung sorgen.

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          Es ist der Moment für Milliardeninvestitionen in Amerika. Das findet Scott Keogh, der Volkswagens neue Konzernmarke Scout führt und für sie ein 2 Milliarden Dollar teures Werk für die Produktion von Elek­troautos im US-Bundesstaat South Carolina hochziehen will. „Es hat nie eine bessere Zeit gegeben als jetzt, um eine Fabrik in den USA zu bauen“, sagt er gegenüber Journalisten aus Anlass der offiziellen Vertragsunterzeichnung für das Großprojekt.

          Roland Lindner
          Wirtschaftskorrespondent in New York.
          Christian Müßgens
          Wirtschaftskorrespondent in Hamburg.

          Keogh zieht den Vergleich zu einem „Goldrausch“. Man müsse früh dran sein, um einen guten Standort zu ergattern. Und natürlich gebe es auch ein „Fenster“ für „Ressourcen“ der Regierung. Irgendwann sei das Geld aufgebraucht, und dann stehe man mit leeren Händen da.

          In der Tat werden Scout und der Mutterkonzern VW an dem neuen Standort von gewaltigen Subventionen der amerikanischen Regierung profitieren und am Ende nicht einmal annähernd die Hälfte der gesamten Investitionssumme selbst zahlen. Zum einen wird der im vergangenen Jahr verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA) helfen, ein Gesetzespaket, das staatliche Finanzhilfen von 369 Milliarden Dollar für umweltfreundliche Technologien vorsieht.

          Es nützt Scout indirekt, weil Käufer von E-Autos Steuergutschriften von bis zu 7500 Dollar bekommen können. Daneben sieht es aber auch direkte Unterstützung von Herstellern für die Fertigung von Batterien vor, was Keogh als „erhebliche Chance“ beschreibt, auch wenn Scout noch keine Details zur Batterieproduktion für seine Fahrzeuge publik gemacht hat.

          US-Bundesstaat macht die Kasse auf

          Ein noch größerer Brocken als die Unterstützung aus Washington sind aber Mittel vom Bundesstaat South Carolina. Die dortige Regierung hat in der vergangenen Woche ein Förderpaket im Wert von 1,3 Milliarden Dollar beschlossen. Das entspricht fast zwei Dritteln der gesamten Investitionssumme.

          Es stellt – auch prozentual – das Anreizpaket in den Schatten, das der Konzern für seine 2011 eröffnete Fabrik in Chattanooga im Bundesstaat Tennessee bekommen hat, wo Autos der Kernmarke VW gebaut werden. Dort wurde die Investitionssumme auf eine Milliarde Dollar beziffert, das Subventionspaket auf 577 Millionen Dollar.

          Scott Keogh, Chef der neuen US-Marke Scout
          Scott Keogh, Chef der neuen US-Marke Scout : Bild: dpa

          Scout-Chef Keogh sagt, es gebe unter Bundesstaaten ein „wettbewerbsintensives Umfeld“ um die Ansiedlung von Werken für E-Autos. Scout habe 74 Standorte in zwölf Bundesstaaten geprüft. South Carolina sei im Werben schnell und unbürokratisch gewesen. Der Entscheidungsprozess habe nur zwei Monate gedauert, sonst seien es oft zwölf bis achtzehn Monate. Für den Standort habe auch die Infrastruktur gesprochen. Das Gelände für das Werk sei weitgehend erschlossen, die Versorgung mit Wasser und Energie gesichert. Zudem biete South Carolina qualifiziertes Personal.

          Schon heute arbeiteten hier 75.000 Menschen in der Autoindustrie. In dem Bundesstaat steht auch das amerikanische Werk von BMW. Der Münchner Hersteller hat erst vorigen Herbst eine weitere Investition von 1,7 Milliarden Dollar angekündigt, um dort fortan auch E-Autos zu bauen. Bisher laufen Verbrenner und Plug-in-Hybride vom Band.

          Vorstoß in beliebtes Marktsegment

          Das neue Scout-Werk in der Nähe von South Carolinas Hauptstadt Columbia wurde Anfang März angekündigt. Die Bauarbeiten sollen Mitte des Jahres beginnen, der Produktionsstart ist für Ende 2026 geplant, mindestens 4000 Arbeitsplätze sollen entstehen.

          Scout will Geländewagen und Pick-up-Transporter herstellen, zwei populäre Fahrzeugsegmente in den USA. Für VW ist es ein Versuch, die Marke wiederzubeleben, unter der zwischen 1960 und 1980 schon einmal Autos verkauft worden sind. Der Konzern bekam die Rechte an der Marke im Zuge der Übernahme des Nutzfahrzeugherstellers Navistar vor knapp zwei Jahren.

          Die Kultmarke soll ein weiterer Baustein sein, um in den USA aus der Nische zu kommen. Derzeit rangiert der VW-Konzern dort mit einem Marktanteil von etwa 4 Prozent abgeschlagen hinter Rivalen wie General Motors, Toyota, Ford und Stellantis. Bis 2030 wollen die Wolfsburger 10 Prozent erreichen. Gerade erst haben sie verkündet, eine Fabrik für Batteriezellen in Kanada zu bauen, was auch eine Rolle für Verkäufe in den Vereinigten Staaten spielt. Denn die Zuschüsse für US-Autokäufer durch den IRA sind an die Bedingung gekoppelt, dass Komponenten wie die Batterie aus Ländern wie Kanada kommen, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen haben.

          Für Konflikte könnte noch das Thema Mitbestimmung sorgen. Im VW-Konzern hat die IG Metall viel Macht. In den amerikanischen Südstaaten hingegen haben Arbeitnehmervertreter nicht viel zu sagen, manche Standorte brüsten sich damit, „union-free“ zu sein, also ohne gewerkschaftlichen Einfluss. In einem gemeinsamen Statement erinnerten IG Metall, Konzernbetriebsrat und amerikanische Autogewerkschaft UAW vor wenigen Tagen daran, dass sich Vorstand und Aufsichtsrat eindeutig dazu bekannt hätten, Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte am neuen Standort zu respektieren.

          „Damit sollen die zukünftigen Beschäftigten selbstverständlich das Recht haben, ohne Einschüchterung und Beeinflussung über eine gewerkschaftliche Vertretung zu entscheiden.“ Dass sie nicht lockerlassen wollen, machen die Arbeitnehmervertreter unmissverständlich klar. Man werde den Prozess „konstruktiv begleiten“, heißt es vielsagend in der Stellungnahme.

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