Dieselaffäre : Wie korrekt ist die Kündigung von Volkswagen?
- -Aktualisiert am
Das VW-Logo über dem Verwaltungshochhaus in Wolfsburg. Bild: dpa
Ein VW-Mitarbeiter wird wegen der Abgasaffäre veurteilt – und der Konzern prüft, ihn zu entlassen. Müssen Untergebene büßen, während ihre Chefs davonkommen?
Oliver Schmidt wird wohl bald auch noch seinen Arbeitsplatz verlieren. Der Volkswagen-Manager muss nicht nur in den Vereinigten Staaten für seine Rolle in der Abgasaffäre büßen: mit sieben Jahren Haft und 400.000 Dollar Geldstrafe. Er steht voraussichtlich auch ohne Perspektive bei seinem Arbeitgeber da. Wie in Wolfsburg aus informierten Kreisen zu hören ist, hat der Autokonzern die Kündigung zwar noch nicht ausgesprochen, prüft sie aber intensiv.
Die offiziellen Aussagen des Konzerns dazu legen nahe, zu welchem Ergebnis diese Prüfung kommen wird. Das Unternehmen wollte zum konkreten Fall zwar keinen Kommentar abgeben. Grundsätzlich gilt aber nach Aussage eines Sprechers: „Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen von Beschäftigten, zumal im Falle strafgerichtlicher Verurteilungen, müssen zwingend auch arbeitsrechtliche Maßnahmen geprüft werden.“ Das sei Bestandteil der Compliance-Pflicht jedes Unternehmens. Das wird zweifellos die Diskussion darüber befeuern, wer rechtlich und moralisch verantwortlich für die Abgasaffäre ist. Müssen Untergebene büßen, während ihre Chefs davonkommen? Ist es glaubhaft, dass der Vorstand nichts von der Angelegenheit wusste?
Müssen Untergebene büßen, während ihre Chefs davonkommen?
VW kämpft seit 2015 mit den Folgen der Abgasaffäre. Im September jenes Jahres deckten die amerikanischen Umweltbehörden auf, dass Europas größter Autobauer Motorensoftware von Dieselfahrzeugen manipuliert hatte, um die strengen amerikanischen Abgasvorschriften einzuhalten. Später räumte VW ein, dass rund 11 Millionen Fahrzeuge betroffen waren. Der Aufsichtsrat beauftragte die Kanzlei Jones Day, Vorgänge aufzuklären. Ein Abschlussbericht sollte Klarheit schaffen. Aber der wurde, anders als zugesagt, nicht veröffentlicht.
Schmidt sitzt seit Jahresbeginn in Untersuchungshaft. Die amerikanische Justiz ist überzeugt, er habe sich in seiner Leitungsfunktion für Umweltfragen in den Vereinigten Staaten von 2012 bis März 2015 schuldig gemacht. Zunächst stritt der 48 Jahre alte Deutsche ab, Mittäter zu sein. Erst im August bekannte er sich schuldig und kooperierte mit der Staatsanwaltschaft. Das Detroiter Bezirksgericht schöpfte mit seinem Urteil das mögliche Strafmaß voll aus. Verschwörung zum Betrug und Verstoß gegen amerikanische Umweltgesetze, urteilte Richter Sean Cox.
VW betont stets, die Verantwortung für die Abgasmanipulationen liege eher bei einem kleinen Kreis von Entwicklern, deswegen müssten Kündigungen möglich sein. „Auch über weitergehende Maßnahmen wie die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen durch das Unternehmen wird einzelfallbezogen unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte entschieden“, hieß es in der Erklärung des Sprechers. In den Vereinigten Staaten liegen im Zusammenhang mit dem Abgasskandal von VW bislang acht Anzeigen gegen jetzige oder frühere VW-Mitarbeiter vor, welche das amerikanische Justizministerium im Rahmen des strafrechtlichen Vergleichs mit Volkswagen öffentlich gemacht hat. Als ranghöchster Manager angeklagt ist der ehemalige Entwicklungschef der Kernmarke VW, Heinz-Jakob Neußer.
In der Logik des Konzerns mag die geplante Kündigung stimmig sein. Aber sind die Prämissen glaubwürdig? Der aus dem Unternehmen gedrängte Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn rühmte sich immer seiner Liebe zum Detail. Aber von den Vorgängen um die Abgasmanipulationen will er nichts gewusst haben. Deutsche Staatsanwälte ermitteln, ob und – wenn ja – wie weit Winterkorn und andere Spitzenmanager vor Aufdeckung des Skandals im Herbst 2015 von den illegalen Abschalteinrichtungen in der Motorensoftware wussten. Egal wie das ausgeht: Öffentlich dürfte der Eindruck entstehen, VW schütze den Vorstand und lasse Mitarbeiter unterer Hierarchieebenen hängen.