VR-Brille Quest Pro : Blick durch die schwarze Brille in die Zukunft
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Nichts für brotlose Künstler: Die neue VR-Brille Meta Quest Pro Bild: AFP
Das Portal zum Metaversum soll sie sein. Die neue Brille für virtuelle und gemischte Realität richtet sich an professionelle Nutzer und Kreative. Der tatsächliche Nutzen der Brille muss noch unter Beweis gestellt werden.
Ein comicartiger Torso ploppt im Raum auf. Mit einem Einschlag, der auf eine Herkunft von der sonnigen Westküste der Vereinigten Staaten schließen lässt, erklärt er auf Englisch, wie das Programm funktioniert. Wer aufwendig produzierte Spiele kennt, ist saubere, klare Sprache gewohnt. Der Torso, der im echten Leben hoffentlich noch seine Beine hat und sich als Michael vorstellt, scheint einer der Entwickler des Programms zu sein. Er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, mit einem leichten Schnarren, etwas undeutlich und freigiebiger Verwendung des Füllwortes „like“.
Eine lockere, kreative Atmosphäre soll es im Berliner Büro des Facebook-Konzerns Meta sein, als dort am Mittwoch die neuen Brillen für virtuelle und gemischte Realität (VR, XR) der „Quest“- Reihe vorgestellt werden. Denn an Kreative richtet sich die „Quest Pro“ vornehmlich. Brotlose Kunst dürfen diese Kreativen aber nicht verfolgen, denn eine Brille kostet rund 1800 Euro.
Meta setzt große Hoffnungen in das neue Produkt. In den soeben veröffentlichten Quartalszahlen des Konzerns schlägt die VR-Sparte Reality Labs mit um 20 Prozent gestiegenen Ausgaben von 5 Milliarden Dollar zu Buche. Bei einem gesunkenen Umsatz von 727 Millionen Dollar betrug der Verlust 4,3 Milliarden Dollar. Begründet wird das vornehmlich mit niedrigeren Verkaufszahlen des Verbrauchermodells „Quest 2“. Abflauenden Appetit auf VR-Themen hat wohl auch Konkurrent Sony zu spüren bekommen. Jüngst haben die Japaner ihre Absatzprognosen der eigenen Brille „Playstation VR2“ von 2 Millionen Stück auf 1,5 Millionen vom kommenden April bis März 2024 gesenkt.
Feinsensorik hat seinen Preis
Der Aufpreis von Metas Premiumprodukt von rund 1350 Euro gegenüber der „Quest 2“ wird gerechtfertigt mit einem leichteren Bau, höherer Bildauflösung, mehr integrierten Kameras, die die Umgebung schärfer und in Farbe erfassen, und der Fähigkeit zum Lesen der Mimik des Nutzers. Außerdem gibt es neue Controller, die nun nicht mehr von der Brille verfolgt werden müssen, um Gesten zu simulieren. Die Controller sind selbst mit Kameras ausgestattet, die die Verortung im Raum vornehmen. Eine neue Ladestation rundet das Paket ab.
Die ganzen Kameras mögen bei dem ein oder anderen Datenschützer Alarmglocken schrillen lassen. „Die Quest Pro wurde immer von der Privatsphäre her gedacht“, versucht Rupa Rao, VR-Produktchefin von Meta, in einer Fragerunde auf der Veranstaltung zu beschwichtigen. Jegliche Datenübertragung und die Erfassung der Mimik sind zunächst abgeschaltet. Sie müssen erst händisch aktiviert werden.
Schöne, neue, virtuelle Arbeitswelt
Hand anlegen durften Besucher der Veranstaltung ebenso. Vier der fünf vorgestellten Anwendungen waren gestalterischer Natur. In Torso Michaels Anwendung „Shapes XR“ können so etwas wie kleine, interaktive Dioramen erstellt werden. Das Beispiel, das frei im Raum schwebt, ist eine Anzeige für das Wetter, über einer kleinen Landschaft. Diese kann man sich virtuell auf den echten Schreibtisch stellen. Die Brille erfasst mit Kameras die Umgebung und gibt sie plastisch auf den Linsen des Nutzers wieder. Erweitert wird sie mit virtuellen Gegenständen, die vom Nutzer gebaut und platziert werden können.
Andere Anwendungen sind eine Planungssoftware für Architekten, virtuelle Plattenteller und ein Werkzeug zur Gestaltung von Räumen in gemischter Realität. Ein Kernpunkt der Strategie von Meta ist die Zusammenarbeit. Im „Metaversum“ sollen alle Nutzer unabhängig vom Ort gemeinsam an Projekten arbeiten können. Nur wird das in den gezeigten Anwendungen noch nicht ersichtlich, da alles einzelnen Personen vorgestellt wurde. Verbessert wurde der Anschein nicht durch die umstehenden Meta-Mitarbeiter, die ohne Brille den Testern Fragen zum momentanen Geschehen stellen mussten, um ihnen behilflich sein zu können.
Einzig die Konferenzsoftware „Workrooms“ wurde mit Torso Matt demonstriert, einem Meta-Mitarbeiter, der sich aus London in einen virtuellen Arbeitsraum zugeschaltet hatte. Hier sah man auch die Magie der Mimikverfolgung, welche Matts reale Gesichtsregungen passabel auf den Avatar projizierte – ungeachtet des Oberkörpers, der stellenweise wild um die eigene Achse wirbelte. Man darf gespannt bleiben, ob man sich nach dem Eliminieren der Kinderkrankheiten gern in „Workrooms“ aufhält. Oder ob es doch bei dem schnöden Videoanruf und der VR-Brille in der Nische bleibt.