Vorstandschef Joe Kaeser : Was hat dieser Mann mit Siemens vor?
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Spannender für den Rest der Welt ist das, was Kaeser ausgeheckt hat an „Portfolio-Maßnahmen“, wie es in der Finanzszene heißt, wenn ein Unternehmen neu zusammen gepusselt wird: Auf dem Konzern steht Siemens weiterhin drauf, nur was drin steckt, das ändert sich radikal. Es muss sich ändern, wenn man Kaeser glaubt: Ein Viertel der Divisionen erwirtschaftet demnach 80 Prozent des Gewinns, der Rest schleppt sich durch. 20 Geschäftsbereiche, die zusammen für ein Fünftel des Umsatzes stehen, werfen überhaupt keinen Profit ab, so hat der Konzernchef jüngst Investoren den Zwang zum Umbau erläutert: „Wenn etwas ineffizient ist, dann schaffen wir es ab.“
Endgültig verloren gibt Siemens den Endkunden: „Das Konsumentengeschäft können wir nicht“, hat der Vorstand schon erkannt, als in der Handy-Sparte Milliardenverluste aufgelaufen sind. Heute liefert Siemens dem gewöhnlichen Verbraucher nur noch Hörgeräte, und auch das nicht mehr lange. Der Rückzug ist eingeleitet, ebenso wie der Ausstieg aus dem Geschäft mit Kühlschränken und sonstigem Küchengerät, wo sie im Moment noch halbe-halbe machen in einem Gemeinschaftsunternehmen mit Bosch. Vorsorglich hat man sich schon abgesichert, wie Bosch mit dem Markennamen Siemens nach einer Trennung umzugehen hat.
Gespött in jedem Speisewagen
Der Endkunde, dieses launische Wesen, macht im Zweifel nur Ärger, Staaten und Großindustrie sind zuverlässigere Abnehmer. Zumindest schlägt da nicht jede Panne gleich aufs Image durch. Wenn dagegen mal wieder ein ICE-Zug nicht geliefert wird, macht dies Siemens zum Gespött in jedem Speisewagen. Da die Züge überdies nur magere Renditen einspielen, zieht Kaeser den Schluss: Da muss etwas passieren. Die Bahnsparte dem Konkurrenten Alstom geben, und gegen dessen Energiegeschäft tauschen - das wäre nach seinem Geschmack, deswegen stürzt er sich in die politisch aufgeladene Übernahmeschlacht um die Franzosen.
Die Starken stärken, dem Rest Beine machen - das ist Kaesers Maxime; Management ist kein Hexenwerk die unterschwellige Botschaft: „Am Ende muss man nur mehr richtig als falsch machen.“ Aber ist es wirklich richtig, Milliarden zu bieten für einen halbgaren französischen Konzern wie Alstom? Noch dazu eingespannt von der Regierung in der Paris, wo doch jedermann weiß, dass Industriepolitik selten Gutes bewirkt?
Zumindest als Symbol, nach innen wie außen, ist der Alstom-Deal für Kaeser wichtig: Wir sind wieder da. Wir stehen nicht abseits, wenn andere in Hinterzimmern versuchen, den Markt zu verteilen. General Electric, der Erzrivale aus Amerika, war vorgeprescht mit einer Milliardenofferte, freudig begrüßt vom Alstom-Management, abgelehnt von der französischen Regierung. Der tut Kaeser nun den Gefallen, in die Rüstung des Weißen Ritters zu schlüpfen, um den GE-Deal zu torpedieren. Nach einer Woche Schlacht sieht es freilich so aus, als habe Siemens die schlechteren Karten.
Das ist womöglich auch besser so, wenn dem Urteil der Börse zu trauen ist: Die Aktionäre sind erschreckt über Kaesers Ausflug nach Paris. Erreicht hat er damit zumindest eines: Siemens demonstriert Handlungsfähigkeit. Vor einem Jahr, als in München Vorstand gegen Vorstand kämpfte, und der Aufsichtsrat mal diesen und mal jenen stützte, da wäre ein Konter wie jetzt gegen GE nicht denkbar gewesen. So aber signalisiert Kaeser: Wir spielen wieder mit, wagen etwas. Höchste Zeit, dass sich was dreht.