Urteil in München : C&A muss in Lockdown Miete zahlen
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Beste Innenstadtlage, aber keine Kunden: Für die Filiale „Kaufinger Straße“ wollte C&A im April 2020 keine Miete zahlen - wie in auch in vielen anderen Fällen nicht. Bild: Reuters
Die Modekette kann sich nicht auf die Corona-bedingten Schließungen berufen, um die Miete zu verweigern. Jetzt muss C&A mindestens eine Million Euro zahlen.
Die Modekette C&A betreibt in München acht Filialen. Die größte, ein fünfstöckiges Kaufhaus mit laut Unternehmens-Website „10.000 Styles im Shop“ liegt in bester Innenstadtlage gegenüber der Frauenkirche. Als der Handel im Frühjahrs-Lockdown 2020 nach einer Allgemeinverfügung in Bayern schließen musste, kündigte C&A dem Vermieter am 18. März an, die Miete für den April 2020 einzubehalten. Kein Einzelfall: Auch in anderen Filialen ging das Unternehmen so gegen die Vermieter vor und forderte mit forschen Briefen Zugeständnisse innerhalb weniger Tage ein.
Die Eigentümerin des Objekts in der Kaufinger Straße, nach Medienberichten eine Tochtergesellschaft der Unternehmerfamilie Inselkammer („Augustiner-Bräu“), bestand jedoch auf die Zahlung und zog vor Gericht. Am Freitag urteilte das Landgericht München I, dass das Modekaufhaus die einbehaltene April-Miete samt Zinsen zahlen muss. Wie hoch diese ausfällt, ist aus dem teilanonymisierten Urteil, das der F.A.Z. vorliegt, nicht ersichtlich. Einen Anhaltspunkt vermittelt der Streitwert, der bei mehr als einer Million Euro lag (Az.: 31 O 11516/20).
Sachmangel oder Störung der Geschäftsgrundlage?
Eine einheitliche Rechtsprechung hat sich in solchen Streitigkeiten nicht herausgebildet. Im Herbst 2020 erkannte eine andere Zivilkammer in München die Mietminderung wegen der behördlichen Schließungsanordnung an; diese führte zu einem Sachmangel der Mietsache. Andere Landgerichte erteilten der Mietminderung in vergleichbaren Fällen Absagen. Mit der gesetzlichen Neufassung der „Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen“ von Dezember 2020 sollen die Gerichte eine Anpassung des Vertrags prüfen: Hätten die Parteien den Mietvertrag zu anderen Bedingungen abgeschlossen, wenn sie von einer Pandemie gewusst hätten? Dass die Corona-Pandemie eine Störung darstellen kann, ist jedenfalls die Intention des Gesetzgebers.
Aus Sicht der Kläger war es nicht von Bedeutung, wie stark sich die staatlichen Beschränkungen auf den Betrieb des Mieters auswirken – entscheidend solle vielmehr der „Erfindungsreichtum“ von C&A zur Erschließung alternativer Einnahmequellen sein. Ein Sachmangel liege nicht vor. Dagegen wandte C&A vor Gericht ein, infolge der Schließung seien die Räume nicht mehr zum Betrieb eines Modekaufhauses geeignet gewesen. Das „Verwendbarkeitsrisiko“ treffe den Vermieter, argumentierte C&A.
Zahlung ist C&A zumutbar
In dem Urteil verneinte Richter Thomas Schäffer einen Sachmangel und setzte sich mit der Risikoverteilung der Parteien auseinander. Wie sich schon in der mündlichen Verhandlung im Januar angedeutet hatte, hielt er die Zahlung der April-Rate für nicht unzumutbar. „Ein Umsatzrückgang von 100 Prozent lässt sich nicht zugrunde legen, da diejenigen über den Online-Shop erzielten Umsätze zu berücksichtigen sind“, schreibt Richter Schäffer. Die Bildung einer Rücklage in Höhe einer Monatsmiete sei C&A möglich gewesen. Das Gericht verweist auf die Ergebnisse „aus den vorangegangenen drei Geschäftsjahren“. Auch die hohe Bekanntheit der Marke und die Tatsache, dass C&A für seine Mitarbeiter Kurzarbeitergeld beantragte, berücksichtigte der Richter. Und kam zu dem Schluss: „Für den Monat April 2020 kommt eine Vertragsanpassung daher nicht in Betracht.“
C&A sei enttäuscht von der Entscheidung des Landgerichts, sagte eine Unternehmenssprecherin. Man sei überzeugt davon, „dass die enormen Lasten dieser Pandemie von den Mietern und den Vermietern gemeinsam getragen werden sollten“. C&A werde nach Prüfung der Begründung des Gerichts über weitere Schritte nachdenken. Der Modehändler gilt als verschwiegen, Umsatzzahlen nennt man nicht. Jedoch leidet C&A wie andere Modeketten unter den Folgen der Pandemie. In Deutschland sind alle Filialen momentan geschlossen.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) will sich nicht zu einzelnen Unternehmen äußern. Auf Anfrage heißt es: „Stabile Mietverhältnisse sind auch im Interesse der Vermieter.“ Schon lange fordert der Branchenverband ein Entgegenkommen. „In diesen Zeiten sind Händler und Vermieter mehr denn je eine Schicksalsgemeinschaft“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth erst in dieser Woche auf dem Deutschen Handelsimmobilienkongress, wo er für eine faire Risikoverteilung warb.
Mit Blick auf den gesamten Gewerbeimmobilienmarkt ist es in der zweiten Lockdown-Phase nicht zu größeren Mietausfällen gekommen: Offensichtlich verfügt der Großteil der Mieter von Einzelhandelsflächen über ausreichende Reserven. Nach einer Umfrage des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmer beispielsweise haben bis Januar nur 2 Prozent der Unternehmen eine Stundung ihrer Gewerbemietverträge beantragt.
Offen bleibt aber, ob die Lage auf dem Gewerbemarkt auch im Fall einer längeren Krise entspannt bleibt. Vor allem im Einzelhandel mehren sich die Zweifel. Dirk Wichner, Fachmann für Einzelhandelsimmobilien des Dienstleisters JLL, spricht sogar derzeit schon von einer Zuspitzung: Viele Einzelhändler hätten nicht damit gerechnet, dass Lockdown und Krise so lange andauerten.
Nach Wichners Angaben lastet auch die unklare Vorgabe des Gesetzgebers vom Dezember 2020 auf dem Markt, der eigentlich den Ausfall der Mietzahlung wegen des Corona-bedingten Wegfalls der Geschäftsgrundlage für den Mietvertrag regeln sollte. Dabei muss aber der Mieter beweisen, dass für ihn ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist – aller Voraussicht nach komme auf die Gerichte viel Arbeit zu, da jeder Einzelfall zu prüfen sei. Wichners Erkenntnissen zufolge laufen jedenfalls schon flächendeckend Verhandlungen über Individualvereinbarungen zwischen Einzelhändlern und ihren Vermietern.