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Unerlaubte Absprachen? : Volkswagen verteidigt Austausch zwischen Autobauern

Bild: dpa

Zum Kartellvorwurf gegen deutsche Autobauer äußert sich Volkswagen weiterhin nicht, hält den Austausch zwischen Konzernen zu technischen Fragen aber für „weltweit üblich“.

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          Der Volkswagen-Konzern schweigt weiter zu dem Kartellvorwurf und seiner angeblichen Selbstanzeige und gibt dazu keine Details bekannt. Nachdem der Volkswagen-Vorstand den Aufsichtsrat „über den aktuellen Sachstand zu möglichen Kartellrechtsfragen informiert“ hat, hieß es am Mittwochabend in Wolfsburg nur, dass VW zu Details und zu Spekulationen derzeit keine Stellung nehme. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der für das Land Niedersachsen als zweitgrößter Anteilseigner im Aufsichtsrat sitzt, wurde allerdings deutlicher und sagte, während des Treffens sei eine Vielzahl von Fragen gestellt „und größtenteils auch beantwortet worden“.

          Carsten Germis
          Wirtschaftskorrespondent in Hamburg.
          Marcus Jung
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Die Frage, wann es sich bei dem Austausch der Unternehmen nur um einen erlaubten, wettbewerbsneutralen Austausch handele und wo die Grenzen zu einer unerlaubten Absprache überschritten sei, könne letztlich nur von den zuständigen Kartellbehörden beantwortet werden. Weil sagte, er wünsche sich auch vom VW-Vorstand „eine möglichst offene Kommunikation mit der Öffentlichkeit in dieser Angelegenheit“, soweit das unter den rechtlichen Bedingungen irgend möglich sei. Zugleich appellierte er an die EU-Kommission, für eine zügige Klärung zu sorgen.

          Vorstand will Aufsichtsrat vollumfänglich informieren

          In der Erklärung des Konzern heißt es, dass VW den Austausch zwischen Konzernen zu technischen Fragen für „weltweit üblich“ hält. Davon profitierten auch Kunden, „weil innovative Lösungen schneller verfügbar und preiswerter sind als aufwendigere Einzelentwicklungen“. Die EU-Kommission prüft derzeit Informationen, wonach sich VW, BMW, Daimler, Audi und Porsche in verschiedenen Fragen mutmaßlich abgesprochen haben sollen.

          Neben Weil wurde auch ein Sprecher des Betriebsrats nach der Sitzung deutlicher. Die in Frage stehenden Treffen der Autokonzerne seien – „nachdem der Vorstand Kenntnis von kartellrechtlichen Bedenken erlangt hatte – umfassend durch die interne Revision und das Rechnungswesen aufgearbeitet und die zuständigen Wettbewerbsbehörden auf deutscher und europäischer Ebene über mögliche Bedenken informiert“ worden, sagte er.

          Die Aufsichtsratssitzung war einberufen worden, nachdem einige der Kontrolleure – unter ihnen Weil – zuvor angegeben hatten, vom Kartellverdacht aus den Medien erfahren zu haben. „Die Information gegenüber dem Aufsichtsrat ist offen diskutiert worden“, teilte das Unternehmen jetzt nach dem Treffen mit. Auf den Unwillen vieler Aufsichtsräte reagierten die Manager auch: „Der Vorstand wird den Aufsichtsrat in entsprechenden Angelegenheiten vollumfänglich informiert halten.“

          Althusmann fordert Konsequenzen für Vorstandsmitglieder

          Zuvor hatte der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann Konsequenzen gefordert, sollte der VW-Aufsichtsrat, wie schon im Abgasskandal um manipulierte Dieselmotoren, vom Vorstand jetzt auch über die Kartellvorwürfe nicht rechtzeitig informiert worden sein. „Die verantwortlichen Vorstandsmitglieder müssten dann unverzüglich abgelöst und in Regress genommen werden“, sagte der CDU-Politiker. Offenbar sei es Weil als VW-Aufsichtsrat trotz des Dieselskandals nicht gelungen, eine neue Informationspolitik über Probleme des Konzerns gegenüber dem Aufsichtsrat durchzusetzen.

          Der stellvertretende FDP-Fraktionschef im Landtag in Hannover, Jörg Bode, sagte dieser Zeitung: „Die Nichtinformation des Aufsichtsrats geht bei VW offensichtlich in Serie.“ Auch er forderte Konsequenzen, sollten sich die Berichte über mögliche wettbewerbswidrige Absprachen als richtig herausstellen.

          VW-Vergleich mit amerikanischen Behörden

          Die jüngsten Kartellvorwürfe gegen die deutschen Autobauer befeuern offenbar auch die Klagen gegen den VW-Konzern. Empörte VW-Aktionäre riefen an und sagten „jetzt reichts“, berichtete Marc Tüngler von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). Bislang sind beim Landgericht in Braunschweig rund 1400 Schadenersatzklagen anhängig, der Streitwert beläuft sich auf mehr als acht Milliarden Euro. Beim Kartellverdacht gegen die führenden deutschen Autokonzerne forderte Tüngler ebenfalls eine schnelle Aufklärung. „Wenn es diese Selbstanzeigen gibt, warum wurde dann nicht ad-hoc gemeldet?“, so Tüngler. „Warum steht dazu nichts in den Geschäftsberichten?“ Selbst wenn VW nicht angeklagt oder verklagt wird, kommt der Konzern nicht aus den Schlagzeilen.

          Mit den amerikanischen Behörden hat VW einen Vergleich geschlossen. Strafrechtliche Konsequenzen drohen deshalb einzelnen Mitarbeitern. Der seit Anfang des Jahres in Amerika inhaftierte VW-Manager Oliver Schmidt will sich nun doch schuldig bekennen, teilte sein Anwalt mit. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Teil einer Verschwörung zum Betrug und Verstoß gegen amerikanische Umweltgesetze gewesen zu sein. Bislang hatte Schmidt sich für unschuldig erklärt. Sein Schuldbekenntnis soll am 4. August erfolgen.

          Für Aufsehen in Deutschland sorgt derweil ein Schreiben des Kraftfahrtbundesamtes (KBA), das dieser Zeitung vorliegt. Darin drängt das Amt den Eigentümer eines VW Amarok mit einer illegalen Abschalteinrichtung zur Nachrüstung – ansonsten drohe die Stilllegung durch die Zulassungsbehörde. An diese will das KBA die Halter- und Fahrzeugdaten übermitteln. Der Pick-Up war das erste VW-Modell, für ab Januar 2016 ein freiwilliges Software-Update angeboten wurde. Anwälte von klagenden VW-Kunden sehen die Umrüstung kritisch. Dadurch könnte die Beweisführung in anhängigen Zivilklagen erschwert werden. Per Eilantrag wollen Anwälte das KBA an der Weitergabe der Halterdaten hindern. Ein entsprechender Antrag sei beim Verwaltungsgericht Freiburg eingegangen, bestätigte ein Sprecher.

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