Was verrät das Auto über seinen Fahrer?
Von GEORG MECK, illustriert von CHRISTOPH BLUMRICH29.08.2018 · Sag mir, wie du dich fortbewegst, und ich sage dir, wer du bist. Eine kleine Autokunde auf Basis einer Umfrage.
Die Mercedes-Klientel: Alles andere als grün
W er Wert darauf legt, seiner Umgebung zu signalisieren: Nie wähle ich grün, soll der Zeitgeist noch so grün wehen – der oder die ist mit einem Mercedes gut bedient. Denn niemand glaubt, dass in einer Limousine mit dem Stern ein Sympathisant der Grünen sitzt. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage der Unternehmensberatung Progenium für die Sonntagszeitung. „Was denken die Deutschen über die politische Einstellung von Auto- und Zugfahrern?“ war die Frage. Wer Mercedes fährt, macht sein Kreuz bei der CDU – das glauben 80 Prozent der Befragten. Und 96 Prozent halten Mercedes-Fahrer typischerweise für männlich und sehr gut verdienend.
Die BMW-Fahrer: Jünger und liberaler als im Mercedes
V erglichen mit dem Mercedes-Fahrer ist der BMW-Liebhaber nach Ansicht der Befragten deutlich jünger, ein klein bisschen weiblicher, nicht ganz so hoch in der beruflichen Hierarchie und deshalb ein bisschen weniger reich, dafür aber deutlich offener, was die Parteienpräferenz betrifft: Die Mehrheit liegt zwar auch hier bei der Union, doch ist der Anteil der FDP-Sympathisanten im BMW fast dreimal so hoch wie in einem Auto mit dem Mercedes-Stern. Im grünen Milieu finden beide Premiummarken wenige Anhänger, glauben die Befragten, die sich obendrein sicher sind, dass sich die Vorlieben in der nächsten Generation ändern: Grün denkende Töchter fahren einen Mini.
Der Jaguar-Fahrer: Männlicher Spitzenverdiener
D er Jaguar-Fahrer, so viel steht für die Befragten fest, ist ein Mann. Zu 98 Prozent ist die Person hinter dem Steuer männlich, auf etwa 50 Jahre wird er geschätzt, mit sehr hoher beruflicher Position, am oberen Ende der Einkommensskala. Das versteht sich von alleine. Wer einen Jaguar fährt, der kann es sich leisten. Linke Ideen? Grüne Überzeugungen? Nicht die Bohne. Im Jaguar bringt es eine schwarz-gelbe Koalition auf 85 Prozent der Stimmen (allenfalls 8 Prozent der Befragten vermuten SPD-Wähler hinter dem Jaguar-Steuer). Unter allen Automarken ist der Jaguar damit diejenige, in der die meisten Liberalen erwartet werden; knapp gefolgt von Ferrari.
Die Opel-Fahrer: Große Koalition auf vier Rädern
M ögen die Zeiten für das Unternehmen Opel turbulent sein, Eigentümerwechsel inklusive, die Kundschaft der Marke ist, wahltaktisch gesehen, stabil. Eine satte Zwei-Drittel-Mehrheit der Opel-Fahrer hält nach Ansicht der Befragten der großen Koalition die Treue. Die Kanzlerin kommt hier demnach noch an die 50 Prozent, die SPD liegt jenseits von 30 Prozent: Wo gibt es das sonst noch? Im neuen Opel-Mutterkonzern Peugeot (den entschieden mehr Frauen bevorzugen als einen Opel) sind die Sozialdemokraten am Steuer sogar in der Mehrheit; ebenso wie bei Renault. SPD-Sympathisanten wird offenbar eine besondere Nähe zu französischen Marken unterstellt.
Die Dacia–Liebhaber: Karosse für Klassenkämpfer
L iebe Leser, Sie verdienen super, hassen die Linkspartei, sind womöglich jung/weiblich und wollen etwas ganz Verrücktes tun? Dann kaufen Sie sich einen Dacia. Ganz ehrlich. Damit überrumpeln Sie alle, in der Billigmarke von Renault würde Sie niemand vermuten. Spitzenverdiener und Dacia - das schließt sich nach Volkes Meinung aus. Dacia warb schon mit Fidel Castro, Che Guevara und Karl Marx, und dafür steht der Wagen auch. Kapitalismuskritisch muss es sein. Nirgendwo werden mehr Sahra-Wagenknecht-Fans und Jürgen-Trittin-Jünger erwartet als in dem Billigauto, gefertigt in Rumänien. Die PR–Strategie des Mutterkonzerns Renault geht voll auf.
Die Tesla-Fans: Ökologisch bewegte Besserverdiener
W er es vermeiden möchte, mit dem Image eines Sozialdemokraten durch die Gegend zu laufen, der kaufe sich schleunigst einen Tesla – und die Sache ist geritzt. In dem Elektroauto aus Kalifornien sitzt alles Mögliche, aber kein SPD-Wähler, so Volkes Meinung. Im Fanclub von Elon Musk sind die Grünen nach der Einschätzung der Befragten an der Grenze zur stärksten Partei, praktisch gleichauf mit der CDU. Auch die FDP ist extrem stark vertreten, wiewohl liberalen Stammwählern keine besondere Affinität zur Elektromobilität nachgesagt wird. Einzig Tesla vermag sie zu faszinieren. Dass muss an der Marke liegen. Deren Image steht für ökologisch bewegte Besserverdiener.
Die VW-Fahrer: Wie es euch gefällt
D er VW-Konzern hat ja auch deshalb ein Dutzend Marken, um es allen recht zu machen, was Motoren wie Image der jeweiligen Modelle angeht. So gelten die Fahrer der Kernmarke VW im allgemeinen Bewusstsein als treue Unions-Wähler, gefolgt von einem überdurchschnittlichen SPD-Anteil. Im spanischen Seat, jahrelang defizitäres Sorgenkind des Konzerns, sind die Sozialdemokraten angeblich sogar die stärkste Fraktion der Kunden, warum auch immer. Das jedenfalls sagen die Ergebnisse der Befragung, die zudem ergibt, dass Audi zwar eine Marke für die klassisch konservative Klientel ist, aber auch überdurchschnittlich viele FDP- und AfD-Wähler anzieht.
Die Porsche-Piloten: Liberal bis in die Spitzen
W er einen Porsche fährt, egal ob 911er oder Cayenne-SUV, gilt als männlich (97 Prozent der Befragten glauben das), ziemlich wohlhabend und am oberen Ende der beruflichen Hierarchie stehend. Grünen-Wähler sind hier eine absolute Seltenheit, kaum der Rede wert, da werden die Sportwagen noch eher mit der AfD in Verbindung gebracht. In der Regel aber wird dem Porsche-Fahrer eine stabile Beziehung zur CDU unterstellt (mehr noch als den Audi-Fahrern, der Schwestermarke im VW-Konzern). Auch die FDP ist im Porsche stark vertreten, und das nicht nur der Umfrage zufolge: Parteichef Christian Lindner fährt stolz im 911er voran – schon seit zwanzig Jahren.
Die Flixbus-Passagiere: Absolute Mehrheit für die Ökos
H art arbeiten die Grünen darauf hin, Volkspartei zu werden – in den Fernbussen sind sie es schon, im Flixbus haben sie sogar die absolute Mehrheit, glaubt man der repräsentativen Umfrage. Demzufolge sind 56 Prozent der Menschen, die ein Ticket für den Fernbus lösen, Wähler von Bündnis 90/Die Grünen. CDU und SPD sind in dieser Gruppe Nischenparteien, mit Anteilen von knapp über zehn Prozent. Wahlkämpfe im Bus können sich die Ökos folglich sparen, die Kosten für Flugblätter sind hier rausgeworfenes Geld, denn hier sind die Grünen-Sympathisanten heute schon ziemlich unter sich, das Auto als gemeinsames Feindbild Nummer eins schweißt sie zusammen.
Die Deutsche-Bahn-Fahrgäste: Mittelschicht voran
D er Bahn-Fahrer ist in der Mehrheit männlich und ansonsten ziemlich mittel: mittelalt, mittelvermögend, auf mittlerer beruflicher Position. So denken jedenfalls die Teilnehmer an der repräsentativen Umfrage für die Sonntagszeitung. Politisch tendieren DB-Kunden nach ihrer Überzeugung mehrheitlich zur großen Koalition, mit starkem Akzent auf der Union. Die SPD ist nur die drittstärkste Kraft, hinter den Grünen. Fast jeder dritte Befragte glaubt, dass die Fahrgäste im ICE oder Regionalexpress mit der Öko-Partei sympathisieren. Kein Wunder, wer schlägt sich schon so entschieden auf die Seite der Bahn und gegen die Autos wie die Grünen?
Die Carsharing-Kunden: Im Zweifel grün
W er sein Auto teilt, sei es mit Hilfe von Car2go (dem Dienst von Daimler), Drive Now (BMW) oder einem der anderen Carsharing-Modelle, der wählt im Zweifel grün. In dieser Frage ist das Urteil des Volkes eindeutig. Jeder zweite Nutzer von Leihautos denkt grün, vermuten die Bundesbürger. Die Union hat hier nichts zu melden, eher noch stehen FDP-Sympathisanten im Ruch, mal auf das eigene Auto zu verzichten. Am mangelnden Einkommen liegt es nach Meinung der Befragten nicht, oder zumindest nicht in jedem Fall, wenn Menschen das eigene Auto abschaffen. Eher wird ihnen ein ökologisches Bewusstsein unterstellt. Oder die Unlust, einen Parkplatz zu suchen.
Quelle: F.A.Z.
Veröffentlicht: 30.08.2018 06:32 Uhr
